Schon vor Monaten wurde durch Videos in den sozialen Medien bekannt, dass junge Männer aus Indien und Nepal in den Krieg in der Ukraine gelockt wurden. Versprochen wurde ihnen quasi als Lockmittel ein guter Verdienst, Studienplätze oder die russische Staatsbürgerschaft – die Berichte der Betroffenen variieren dabei. Erst vor Ort erfuhren die Männer dann häufig, dass sie als „Armeehelfer“ im Krieg eingesetzt werden sollten. Die kurze Grundausbildung, die sie dann noch erhielten, bereitete sie allerdings kaum auf das vor, was einige von ihnen erwarten sollte: der Fronteinsatz für Russland.
Nun schritten die indischen Behörden ein. Wie die indische Bundespolizei CBI diese Woche mitteilte, soll eine in Delhi ansässige Visa-Beratungsfirma rund 180 Inder nach Russland geschickt haben. Derzeit werde an ihrer Freilassung gearbeitet. Unterdessen wurden vier Personen festgenommen, die junge Landsleute unter Vortäuschung falscher Tatsachen zur Teilnahme am Krieg in der Ukraine nach Russland vermittelt haben sollen. Die Hauptverdächtigen sollen aus den südlichen Bundesstaaten um Kerala und Tamil Nadu kommen. In Medienberichten war jedoch in anderen Fällen auch von Vermittlern aus Dubai die Rede.
Nach Angaben des indischen Außenministeriums wurde über den aktuellen Fall mit Russland „nachdrücklich gesprochen“. Den indisch-russischen Beziehungen dürfte das vorerst aber keinen großen Schaden zufügen, dafür sind die Verbindungen zu tief. Am Mittwoch startet das russische Außenministerium eine Charmeoffensive. Die USA versuche, Indien während der Parlamentswahlen zu schwächen. Washington erhebe weiterhin „unbegründete Anschuldigungen“ gegen die Religionsfreiheit in Indien, äußerte sich die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Bereits zuvor hatte Indiens Premierminister Narendra Modi Kritik aus dem Westen an Indien zurückgewiesen. Nepalesen als „Armeehelfer“ rekrutiert
Auch Indiens Nachbarland Nepal ist von den Rekrutierungen betroffen. Auch hier wurden den Leuten Jobs als „Armeehelfer“ angeboten. Madhav Panta (Name von der Redaktion geändert) aus Doti im Westen Nepals sprach der relativ hohe Lohn für diesen Job an. Im November letzten Jahres schloss er sich den russischen Truppen an, nachdem er ein Video auf Tiktok gesehen hatte. Dort lernte er die Menschenhändler kennen, denen er umgerechnet 8.000 Euro zahlte, um nach Russland zu reisen.
Innerhalb weniger Tage hatte er sein Visum und sein Ticket in der Tasche, landete in Moskau und wurde in ein Rekrutierungslager gebracht, wo er einen einjährigen Vertrag für die russischen Streitkräfte unterzeichnete. Wie vielen anderen auch wurden dem Nepalesen ein Gehalt von 195.000 Rubel (etwa 1.970 Euro) pro Monat, eine Kampfausbildung, Prämien sowie die russische Staatsbürgerschaft versprochen.
„Viele meiner nepalesischen Bekannten, mit denen ich zusammen trainiert habe, sind verschwunden, oder wir haben keinen Kontakt mehr“, sagte Madhav Panta telefonisch gegenüber der taz. Er geht davon aus, dass viele von ihnen gestorben seien oder schwer verletzt wurden. „Wir wollen zurückkommen“, sagt er, aber es gebe keinen Ausweg. Er sei zum Sterben zurückgelassen worden. Panta befand sich zum Zeitpunkt des Gesprächs verwundet in einem Krankenhaus in der ukrainischen Stadt Saporischschja.
Zehn Nepalesen an der Front gefallen
Im Januar stoppte die nepalesische Regierung die Arbeitserlaubnis für ihre Bürger in Russland und der Ukraine, nachdem mindestens zehn nepalesische Staatsbürger bei Kämpfen ums Leben gekommen waren. So weit ging Indien bisher nicht.
Doch beide Länder stehen vor der Herausforderung, ihre Bürger aus der russischen Armee, also aus Russland beziehungsweise der Ukraine, zurückzuholen. Schätzungsweise 600 Nepalesen sind offenbar bisher nach Russland gegangen, um dort Soldaten zu werden und gegen die Ukraine zu kämpfen. Wie viele indischstämmige Personen, die von Russland angeworben wurden, tatsächlich für die Armee rekrutiert wurden, ist derzeit nicht ganz klar, mehr als 100 sind es auf jeden Fall.
Oder auch: Ein normaler Tag in Russland.