Ein Video dokumentiert, wie ein Polizist auf einen Reporter der âBerliner Zeitungâ einschlĂ€gt. Die Linke fordert eine Stellungnahme der Innensenatorin.
Nach SchlĂ€gen gegen einen Journalisten bei der RĂ€umung eines besetzten Instituts der Humboldt-UniversitĂ€t (HU) am Donnerstagabend prĂŒft die Berliner Polizei die Einleitung von Ermittlungen.
Das Institut war von Pro-PalÀstinensischen Demonstranten besetzt.
Wie die âBerliner Zeitungâ am Freitag berichtete, sei ihr Videoreporter von einem Beamten geschlagen und verletzt worden, als er die RĂ€umung im Inneren des GebĂ€udes filmte. Bevor er das GebĂ€ude betreten habe, habe er sich als Pressevertreter ausgewiesen.
Da dachte die Polizei wohl das wÀre nur einer der Demonstranten gewesen. Tja.
Den Angaben zufolge soll die Polizei dem Mann âmit FĂ€usten ins Gesicht geschlagenâ und âĂŒber mehrere Stunden mit Handschellen fixiertâ haben.
Friedlichste Berliner Hundertschaft
Die Zeitung veröffentlichte ein Video, das den Vorfall dokumentieren soll. Darin ist zu sehen, wie die Polizisten sich Zugang zum Inneren eines verbarrikadierten GebÀudes verschaffen und durch die GÀnge laufen.
Erste eintreffende Beamte erkennen den Mann mit der Kamera offenbar als Journalisten und weisen ihm einen Platz in einer Ecke des Flurs zu.
Der Reporter weicht zunĂ€chst zurĂŒck, folgt den Polizisten dann aber ein paar Schritte mit einigem Abstand, um sie weiter zu filmen.
Plötzlich fĂ€llt die Kamera herunter und eine Person ruft laut: âAuf den Bodenâ. Im Anschluss sind wiederholte SchlĂ€ge eines behelmten Beamten zu erkennen. Der Reporter sagt mehrfach: âIch bin Presseâ. Danach bricht das Video ab.
Den Artikel mit dem Video veröffentlichte die âBerliner Zeitungâ auf X. Die Polizei kommentierte den Beitrag mit den Worten: âDieses Video war uns bisher nicht bekannt.â
Klingt fĂŒr mich nach âScheiĂe der hat das gefilmt, warum habt ihr nicht die Kamera beschlagnahmt?â
Die Behörde habe es zur Bewertung und gegebenenfalls Einleitung weiterer Ermittlungsschritte âunmittelbarâ an das Landeskriminalamt ĂŒbersandt, hieĂ es weiter. âBei der PrĂŒfung, ob es sich hierbei um eine Körperverletzung im Amt handelt, werden auch weitere, bereits vorliegende Dokumentationen als Beweismittel aus dem Einsatz mit herangezogen.â
Am Sonnabend verwies Innensenatorin Iris Spranger (SPD) auf Nachfrage auf die begonnene AufklĂ€rungsarbeit innerhalb der Polizei. âDie entsprechenden Videos werden jetzt ausgewertetâ, sagte Spranger dem Tagesspiegel.
Die Zeitung hatte die Polizei in einer ersten Anfrage offenbar nicht mit dem Video konfrontiert. Dem Bericht zufolge teilte die Behörde am Nachmittag zunÀchst mit, es sei durch eine Person, die sich erst spÀter als Journalist zu erkennengegeben habe
Dann is ja okay
, âwĂ€hrend der polizeilichen MaĂnahmen zu einem Angriff mittels Videoteleskopstange mit montierter Fotokamera auf eine Einsatzkraftâ gekommen, âdurch den** die Einsatzkraft leicht verletzt** wurdeâ.
Ernsthaft?
Die Person habe auch âWiderstandâ gegen eine freiheitsbeschrĂ€nkende MaĂnahme geleistet, weswegen fĂŒr 15 Minuten Handfesseln angelegt worden seien.
Die Darstellung der Polizei zu einem vermeintlichen** Angriff durch den Reporter** lĂ€sst sich durch das knapp einminĂŒtige, augenscheinlich ungeschnittene Video nicht belegen.
Auch die Behauptung, er habe sich erst spĂ€ter als Journalist zu erkennen gegeben, erscheint fragwĂŒrdig â zumal er nach Angaben seiner Zeitung auch seinen Presseausweis sichtbar um den Hals getragen haben soll.
Als Beweis veröffentlichte sie ein Selfie ihres Mitarbeiters vom selben Tage aus einem Aufzug im besetzten Institut.
Polizeigewalt? In Deutschland? Kann ich mir nicht vorstellen.
Die Zeitung berichtete vielmehr, ihr Reporter sei an seinem Rucksack nach hinten gerissen worden. Der Polizist habe ihm mit der Faust auf Kiefer und SchlÀfe geschlagen und ihn zu Boden geworfen.
Dort habe er ihm Handschellen angelegt und ihn mit einem** Knie auf dem RĂŒcken **fixiert. So habe es ihr Reporter geschildert.
Rund zwanzig Minuten spĂ€ter hĂ€tten SanitĂ€ter ihm Hilfe angeboten und den Polizisten auf den Presseausweis hingewiesen, hieĂ es weiter. Der Polizist habe ihnen jedoch zugerufen: âSie haben keine Ahnung von Polizeiarbeit!â
âMit 13 dachte ich âich werd mal Polizist
Verbrecher jagen fĂŒr Gerechtigkeitâ
Doch dann sah ich die Cops bei der
AusfĂŒhrung ihres Jobs und mir war klar
Hey mit denen gibtâs bald Streitâ
Eine medizinische Behandlung sei dem Journalisten derweil nach eigenen Angaben verwehrt worden.
Erst nach drei Stunden habe er gehen dĂŒrfen und sich in Begleitung eines Kollegen in die Rettungsstelle der CharitĂ© begeben.
Im Arztbericht seien âmultiple SchĂŒrfwunden und HĂ€matomeĂŒber dem linken Ohr, im Gesicht, auf dem Brustkorb und am linken Armâ vermerkt, schrieb die âBerliner Zeitungâ.
SanitĂ€tskrĂ€fte der Polizei hĂ€tten lediglich eine leichte Verletzung am linken Oberarm begutachtet, hieĂ es demgegenĂŒber in der ersten Stellungnahme der Behörde vom Nachmittag, die ein Autor des Artikels bei X teilte.
Der Reporter habe jedoch âzu keiner Zeitâ geĂ€uĂert, âdass er weitergehende Ă€rztliche Versorgungen benötigen wĂŒrdeâ, teilte die Polizei mit.
Die Linke fordert eine Aufarbeitung des Falls und eine Reaktion der Innensenatorin Iris Spranger (SPD). âPolizeigewalt gegen einen ausgewiesenen Pressevertreter. Das verlangt nach AufklĂ€rung und einer Stellungnahme der Innensenatorin!â, schrieb der innenpolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, am Samstagmorgen bei X. âWir werden das einfordern.â
Es sei** âunfassbar, wie die Polizei gegen den Kollegen vorgegangen istâ**, zitierte die âBerliner Zeitungâ den Sprecher des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Hendrik Zörner.
Journalisten seien âkeine PrĂŒgelknaben der Polizeiâ, sondern hĂ€tten die Aufgabe, frei und ungehindert zu berichten.
Friedliche Demonstranten sind ĂŒbrigens auch keine PrĂŒgelknaben der Polizei. Wollte ich nur mal anmerken.
âDer Vorfall muss lĂŒckenlos aufgeklĂ€rt werden. Die Polizeibeamten sind zur Rechenschaft zu ziehenâ, forderte der DJV-Sprecher.
Auch der Landesverband Berlin-Brandenburg des DJV verlangt von der Berliner Polizei unverzĂŒgliche AufklĂ€rung. âDas sieht nach einer völlig ĂŒberzogenen Reaktion gegenĂŒber einem Kollegen aus, der seiner Arbeit nachging und eindeutig als Pressevertreter zu erkennen warâ, so Steffen Grimberg, Vorsitzender des DJV Berlin.
Es mĂŒsse auĂerdem geklĂ€rt werden, warum die Polizei in einer ersten Darstellung von einem Angriff des Journalisten auf Beamte gesprochen und behauptet habe, dieser habe sich erst nachtrĂ€glich als Journalist zu erkennen gegeben.
Wieso? Die folgen doch nur den gÀngigen polizeilichen Standards?
âWenn es zutrifft, dass die Berliner Polizeibeamte mit gezielter Desinformation von eigenem Fehlverhalten ablenkenwollen, sprĂ€che das BĂ€ndeâ, so Grimberg.
Pro-palĂ€stinensische Aktivisten hatten am Mittwoch RĂ€ume der UniversitĂ€t aus Protest gegen Israel und zur UnterstĂŒtzung der PalĂ€stinenser besetzt.
*Protest gegen Israels Vorgehen in Gaza und dem Westjordanland
Die UniversitÀtsleitung duldete dies bis 18 Uhr am Donnerstag und setzte auf einen Dialog mit Besetzern und Wissenschaftlern.
Um 18.40 Uhr** begann die Polizei mit der RÀumung**, wobei die Beamten zunÀchst darauf setzten, dass die Aktivisten das Uni-GebÀude freiwillig verlassen.
Die Uni wollte den Protest ĂŒbrigens nicht rĂ€umen lassen, die Anweisung kam aus der Politik von der Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) und dem Berliner BĂŒrgermeister Kai Wegner (CDU).
Umso ironischer, dass der komplette RĂ€umungseinsatz schon rechtlich sehr fragwĂŒrdig ist. Dann noch die Pressefreiheit so mit den FĂ€usten zu bearbeiten. Hoffentlich rollen da noch Köpfe bei den Entscheidern dieses Einsatzes.