Wenn man recherchiert, wie man seine Ernte korrekt trocknet und reift, findet man immer die selben Aussagen.

  • Nicht zu heiß
  • Nicht zu schnell
  • Slow and steady: 60/60 (60°F, also 15°C, und 60% Luftfeuchtigkeit)
  • Und so weiter.

Leider aber meistens von irgendwelchen Blogs, die gefühlt immer das selbe wiederholen, was die anderen Blogs schon gesagt haben.
Meiner Meinung nach klingt vieles davon nach Bro-Science, und nicht ganz nach dem, was ich mir unter evidenzbasierter Wissenschaft vorstelle.
Daher will ich mit meinem Post etwas Diskussionen anregen.


Weil er etwas länger ist, hier ein TL;DR für diejenigen, die keine Lust haben, sich das hier alles durchzulesen:

  • Trocknen: ich mache es in einem speziellen Aufbau, extrem schnell und nur, bis das Weed halbtrocken ist. Ziel: Schimmelbildung verhindern, aber biochemische Prozesse beim Curen ermöglichen
  • Curen: das hier ist bei mir das “eigentliche” Trocknen. Hier passiert die Magie.
  • Normalerweise macht man das Anders, aber ich hab sehr gute Erfahungen damit gesammelt

Vorweg, dieser Post soll:

  • Nicht danach klingen, als wüsste ich schon alles. Ich habe wirklich nicht viel Erfahrung. Deshalb will ich die Profis hier nach ihrer Meinung fragen.
  • Nicht als Anleitung dienen. Vieles, was ich hier erkläre, ist reine Theorie, und konnte von mir noch nicht ausreichend in der Praxis erprobt werden. Wenn sich meine Theorien als wahr herausstellen, werde ich diesbezüglich einen “richtigen” Guide machen.
  • Diskussionen anregen. Ich will wissen, ob ich falsch liege, und wieso die bereits erprobten Methoden evtl. tatsächlich besser sind.

Alle Hypothesen von mir sind mit einem * gekennzeichnet. Nehmt diese also nicht als Fakt.


Ernten

Der erste Schritt, vor dem Trocknen, ist das Ernten.

Das mache ich gerne, wenn die Pflanze groß genug ist, auf zwei Mal.
Einmal frühreif, wenn die Trichome sich gerade erst milchig färben, und einmal reif bis überreif, wenn sie schon überwiegend (ca. 1/3 bis Hälfte) golden werden.

Der Erntezeitpunkt bestimmt die Wirkung. *

Wenn die Trichome “optimal”, also überwiegend milchig, sind, ist der Cannabinoidgehalt am höchsten. Je länger man wartet, desto mehr Wirkstoffe werden wieder abgebaut. Das Gras verliert an Potenz.

Jedoch bestimmen nicht nur THC und CBD, sondern auch andere Cannabinoide und Terpene die Wirkung. Und das Profil davon ändert sich auch mit der Zeit, in den letzten Wochen. Früh geerntetes Gras wirkt etwas belebend und klar, kann aber auch nervös machen, während (über)reifes Gras gut gelaunt, aber auch matschig-müde machen kann.

Mir persönlich sind es die minimalen Verluste zu Gunsten einer angenehmeren Wirkung wert.

Ernten tu ich meistens, indem ich die Pflanze abschneide, die Blätter entferne und dann den Stiel mit Blüten trockne.
Die Zuckerblätter lass ich meistens dran, entferne aber mit einer Haushaltsschere grob die Spitzen.


Trocknen

Hier gilt, wenn man den meisten Leuten Glauben schenken darf, die Devise “Slow and cool”. Also ca. 1-2 Wochen bei max. 20°C und 50% Luftfeuchte.
Das dient hauptsächlich dazu, die Feuchtigkeit zu senken und schon bisschen was vom Chlorophyll abzubauen, ohne unnötig viele Aromen zu verlieren.

Ich mache das aber anders.
Was meiner Meinung nach absolut übersehen wird, ist das Schimmelrisiko.

Da man die Pflanzenteile am Ende des Lebens der Pflanze erntet, hat diese ohnehin schon ein schwächeres Immunsystem, besonders wenn es sich um eine “hochgezüchtete” Sorte handelt, die weniger resistent ist. *
Wenn man dann noch, wie ich, Outdoor anbaut und meistens im Herbst erntet, wo es ohnehin schon nass-kalt ist, ist Schimmel vorprogrammiert.
Selbst im Frühsommer hatte ich (und mein Nachbar) Schimmelprobleme. Da will ich gar nicht wissen, wie das im Herbst aussehen wird!

Dieser ist meistens unsichtbar und zeigt sich erst, wenn schon alles durchgegammelt ist.
Wenn man die Pflanze jetzt reinholt und eine Woche feucht aufhängt, modert einem alles durch.

Im “besten” Fall sieht man es und darf seinen gesamten hartverdienten Jahresertrag in die Tonne stampfen.
Im Worst-Case sieht man es nicht, und konsumiert, teils hochgiftige, Schimmelsporen und -toxine.

Daher mache ich es so: *

  • Ich nehme die (siehe oben) geernteten Buds samt Stiel, und schließe sie in eine absolut luftdichte Box. Die muss wirklich gut abdichten, nicht nur wegen dem Geruch.
  • In diese Box kommt dann ein kleiner USB-Ventilator (samt Powerbank) und Trockenmittel, also diese Raumentfeuchter-Boxen aus dem Baumarkt.
  • Dieses Konstrukt stelle ich dann auf das Heizbett meines 3D-Druckers und sorge dafür, dass (dank Thermo-Hygometer) die Temperatur auf 25-30°C und die Luftfeuchtigkeit auf <15% fällt, alles in absoluter Dunkelheit.

Somit habe ich einen Exsikkator Marke Eigenbau erschaffen.

Durch das Trockenmittel und der erhöhten Temperatur erhöhe ich enorm den Dampfdruck des Wassers, und die Pflanzenteile werden innerhalb von 3 Tagen knochentrocken.

Genau das will ich aber nicht. Wenn man das Gras zu schnell und stark trocknet, stoppt man sämtliche biochemische Prozesse und das Weed schmeckt am Ende nach kratzigem Heu.

Daher mache ich das nur, bis sich die ersten Zuckerblätter einkringeln und der Stiel noch biegsam ist.
Ziel ist es, die Feuchtigkeit so schnell wie möglich rauszukriegen, damit sich keine Pilze und Bakterien bilden können.
Gleichzeitig darf es aber nicht zu trocken sein, sonst stirbt es.

Dadurch verliert man doch abartig Terpene!

Ja und nein. Das macht man sowieso, egal wie warm oder kalt es ist. Das ist ein natürlicher Prozess, gegen den man quasi nichts tun kann, außer vielleicht Gefriertrocknen I guess.

Hier kommt der Dampfdruck wieder ins Spiel. An der offenen Luft wollen die Terpene entweichen. Und das in einer konstanten Rate.

Um den Terpenverlust zu minimieren, kann man zwei Dinge ändern: die Temperatur, oder die Zeit.
Man macht es so kühl wie möglich (z.B. mit einem Weinkühlschrank, siehe Lotus Drying), oder so schnell wie möglich.

In meinem Fall verliert man nur höchstens einen einzigen Tag Aromen, während man klassischerweise über eine Woche das Zeug ausdampfen lässt.
Ich habe zwar etwas erhöhte Temperaturen, was die Verdunstung begünstigt, aber dafür “saugt” es mir selektiv sämtliches Wasser raus. Und durch das geschlossene System verdampfen mir keine weiteren Terpene, sobald das Dampfsättigungsgleichgewicht erreicht ist. Und wie gesagt, die Terpene verdampfen so oder so.

Wenn man die Box öffnet, riecht man definitiv was, aber es ist deutlich weniger krass, als man denken würde.

Hier hab ich auch eine Studie, die genau das bestätigt.

Hier eine coole Grafik, wie sich die Terpene bei unterschiedlichen Temperaturen verflüchtigen:

Man sieht also, dass die Dauer viel entscheidender ist als die Temperatur. *

Curen

Curen dient dazu, das Aroma ausreifen zu lassen.
Hier geschehen sehr viele chemisch, physikalische und biologische Prozesse:

  • Die Pflanze “lebt” noch weiter, und vorhandene Enzyme bauen das Chlorophyll und Proteine ab. Davor schmeckt das Gras noch “grün” und kratzig.
  • Einige, sehr leicht flüchtige Aromastoffe, verdunsten in der Zeit, oder wandeln sich in andere um (enzymatische Prozesse, Oxidation, Hydrolyse, etc.).
  • Nach wenigen Tagen beginnt die Pflanze, klassisch so richtig nach Weed zu riechen. Davor riecht sie eher wie Heu, oder eine gemähte Blumenwiese. Mit der Zeit kommen insbesondere die Schwefelaromen und “schwereren” Düfte (Pinie, Erde, etc.) durch.
  • Und es härtet aus, was die Verarbeitung (Grinden, etc.) einfacher macht.

Nach diesem einen Tag Trocknen davor ist die Wasseraktivität so gesunken, dass nichts mehr gammelt, aber sie ist immer noch hoch genug, dass die Enzyme und co. ihr Ding tun können.

Hier ist es wichtig, dass es in absoluter Dunkelheit reifen muss. Selbst geringste Mengen an Licht verhindern den Chlorophyllabbau. Quelle hier

Dafür packe ich das Gras, immer noch im selben Zustand wie beim Trocknen, in ein gut verschließbares Glas.
Hinzu kommen Boveda-Packs, die die Feuchtigkeit auf exakt 62% einstellen. Die Gläser sollen nun kühl gelagert werden, also ca. 15-20°C.

Zu kalt, und der Reifeprozess dauert Ewigkeiten, da pro 10°C Temperaturerhöhung die chemische Reaktionsgeschwindigkeit um das 4-fache erhöht wird. Zu warm, und man verliert zu viel Geschmack, da die Aromen exponentiell flüchtig werden.
Wenn man wenig kifft und einem die 50 g ohnehin ein Jahr lang ausreichen, kann man das Glas auch gerne in den Kühlschrank (nicht ganz optimal) oder den kühlen Weinkeller stellen, dann hält das Aroma länger.

Das Gras bleibt jetzt also, für längere Zeit, im halbtrockenen Zustand verschlossen und wird gelegentlich gelüftet.
Das dient dazu, die leichtflüchtigen Aromen entweichen zu lassen und Platz für neue zu machen. Wasser geht dadurch kaum verloren, da die harte Arbeit ja von dem Boveda-Pack erledigt wird.

Mit meiner Methode ist das “Trocknen” und Curen einundderselbe Schritt.
Ich will damit erreichen, dass es gerade so trocken genug ist, dass nichts gammelt, aber auch so feucht bleibt, dass alle biologischen Prozesse weiterhin stattfinden können.

Ab einer Woche kann man mal probieren, wie es schmeckt, aber wirklich “fertig” ist es erst nach mindestens 2, eher 3-4 Wochen oder mehr.


Bisher hab ich mit meiner Methode echt gute Erfahrungen gesammelt.
Ursprünglich hab ich sie nur angewendet, weil die ersten Buds im Sommer schon angeschimmelt waren, und ich nicht alles verlieren wollte.
Aber dann hab ich gemerkt, dass es eigentlich gar nicht so schlecht funktioniert.

Mein Nachbar hat parallel auf seinem Balkon angebaut und klassisch getrocknet. Trotz Boveda und Curen war sein Gras deutlich weniger intensivriechend als meins.
1:0 also für mich :D


Was ist eure Meinung zu meinen Rechercheergebnissen? Bullshit, oder bahnbrechend innovativ?

Was habt ihr für Erfahrungen über die Zeit sammeln dürfen?

Ich freue mich auf eure Beiträge!

  • Sockenklaus@sh.itjust.works
    link
    fedilink
    arrow-up
    3
    ·
    4 months ago

    Also ohne jetzt Experte zu sein, zitiere ich mal Wikipedia:

    Ursprünglich wurde mit Fermentation eine Gärung unter Ausschluss von Luft bezeichnet. […]

    Heute umfasst die Fermentation in der Biotechnologie jegliche mikrobielle Umwandlung organischer Stoffe in Bioreaktoren, also auch diejenige unter Sauerstoffversorgung.

    Dementsprechend dürfte der Begriff “Fermentation” für das Curing / Aushärten doch gar nicht so verkehrt zu sein, denn so wie ich es verstanden habe, verspricht man sich davon auch den weiteren (mikrobiellen) Abbau von Chlorophyll und anderen unerwünschten Stoffen.

    So wie ich Flo verstanden habe, erzielt er diesen Effekt dadurch, dass die Pflanze nach der Ernte noch eine Weile am Leben erhalten wird und so das Chlorophyll, Zucker, etc noch verstoffwechselt wird.

    • Fliegenpilzgünni@slrpnk.netOP
      link
      fedilink
      arrow-up
      1
      ·
      4 months ago

      Das Curing passiert aber doch eher durch endoenzymatischen Abbau von Chlorophyll und Proteinen und chemischen Prozessen (z.B. Lipidoxidation).
      Für mikrobielle Prozesse sollte das Pflanzenmaterial doch schon viel zu trocken sein, sonst würde ja konstant die Gefahr bestehen, dass es plötzlich vergammelt?

      • Sockenklaus@sh.itjust.works
        link
        fedilink
        arrow-up
        2
        ·
        edit-2
        4 months ago

        Öhm da fehlt mir die nötige Fachkenntnis.

        Ab welcher Wasseraktivität sind denn mikrobielle Prozesse ausgeschlossen? Ich habe das so verstanden, dass bei einer Wasseraktivität von 0,6 bis 0,65 noch gewisse (aber eben nicht alle) mikrobielle Prozesse laufen?

        • Fliegenpilzgünni@slrpnk.netOP
          link
          fedilink
          arrow-up
          2
          ·
          edit-2
          4 months ago

          Hab da auch gerade nochmal nachgeschaut. Du hast schon Recht.

          Bei allem unter 0,6 kann eigentlich nichts mehr wachsen, aber alles drüber kann dafür sorgen, dass sich bestimmte Mikroorganismen evtl. noch wohl fühlen. Quelle

          Wie hoch die Wasseraktivität bei Gras aber ist hab ich noch nicht recherchiert, mach ich noch.

          Ich werde auf jeden Fall mich weiter zu dem Thema einlesen und euch alle updaten, vielleicht ist da was dran.