Die ostdeutschen Anhänger der AfD und die österreichischen der FPÖ sind keine verirrten Protestwähler. Sie wollen die Gefühlsrohheit.

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Als er vor drei Jahrzehnten seine Laufbahn als Kofferträger Jörg Haiders begann, hat man ihm eine erste Aufgabe in der Bildungsanstalt der Rechtspartei übertragen. Dort fragte ihn ein Kampfgefährte nach einiger Zeit, verwirrt vom Charakter des sonderlichen Kollegen: „Wenn du hier niemanden magst, was machst du dann hier?“

Gewiss, seine Partei hat 28,8 Prozent erreicht, was natürlich heißt, 71,2 Prozent haben ihn nicht gewählt. Aber was, wenn diese relative Mehrheit von 28,8 Prozent genau das wollte, genau einen solchen – und genau die Radikalität, genau den Irrwitz, die Niedertracht, genau die Böswilligkeit und den Extremismus, für den er und seine Truppe stehen? Und was, wenn die 30 Prozent und mehr AfD-Wähler im Osten Deutschlands genau das Gleiche wollen?

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Der Ausländer? Wird zum Synonym für kriminell. Der Migrant: zum Syno­nym für Messerstecher. Schreit der Anführer „millionenfach abschieben“, klatscht das Publikum begeistert in die Hände. Begeistert von der eigenen Fiesheit. Lust an der Bösartigkeit. Die Anderen behandeln die Themen als „berechtigte Sorgen“, und schon wirkt die Bösartigkeit irgendwie als alltäglich.

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In den Studien von Adorno und Co über den „autoritären Charakter“ wurden Sozialfiguren wie „der Rebell“ oder „der Spinner“ bereits als eine Randfigur faschistischer Bewegungen entdeckt, diese war aber damals gegenüber den anderen Typen des Konformistisch-­Autoritären noch peripher. Heute dominiert der Typus des „konformistischen Rebellen“, der sich in der Gemeinschaft der Starken aufgehoben fühlt, den Zuspruch seiner Bubble liebt, sich geknechtet und gegängelt fühlt, alle Regeln ablehnt, sogar vernünftige.

Der mit der Meute selbsterklärter „Selbstdenker“ blökt und sich als system­kritisch wähnt. Seine Parole ist nicht: Im Stechschritt voran. Sondern: „Nicht mit mir!“

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In jüngerer Zeit hat die französische Philosophin und Psychoanalytikern Cynthia Fleury von Milieus voller Bitternis geschrieben. Sie spricht von einer „querulatorischen Paranoia“, einer „Vergiftung“, einer „Selbstvergiftung“ der Subjekte, die an realen, echten sozialen Problemen andockt, aber ins Maßlose eskaliert. Das „in das Ressentiment verliebte Subjekt“ erleidet einen „Verlust der Urteilsfähigkeit“. Fleury: „Eine Person, die diese Störung hat, gibt ihre Fehler nie zu, ist aggressiv und provoziert andere, hat unbeherrschte Wutausbrüche, ist pathologisch unaufrichtig, überempfindlich.“

Die extremistische Agitation schafft sich ihr Subjekt, montiert die Leute um, produziert ein Resonanzmilieu, das dann alle Überschreitungen als Befreiungen erlebt. Indem sie sich allerlei Grausamkeiten für Andere (Kritiker, Andersdenkende, Flüchtlinge, Faule, Systemlinge usw.) ausmalen, erleben sie einen gemeinsamen Lustmoment. Am Ende werden es wieder einmal ganz normale Leute gewesen sein.

Der harte Kern dieser Wählerschaft wünscht sich genau das, was er bekommt.

  • kwomp2@sh.itjust.works
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    3 months ago

    Oh, Missverständnis. Ich will die Erkenntis der Praxeologie des Ideologischen stärker etablieren, keine Wissenschaftskritik machen.

    Dass z.B. Schwule nicht an z.B. der Prekarisierung Schuld sind, soll nicht in Frage gestellt werden. Solchen Quatsch als Ergebnis von Dummheit zu sehen, ist aber letzlich Idealismus. (Als gäbe es das Vernunftssubjekt, dass die Aufklärung proklamiert, schon). Wir müssen eher gucken, was der Ratio hinter dem Irrationalen ist, wenn man so will. Also welche Funktion die “Dummheit” in den konkreten Lebenslagen erfüllt.

    Das erst setzt uns (vielleicht, hoffentlich) mehr in die Lage, zu reagieren oder zu überzeugen.

    Dem was du zu Abwägung, offenem Denken gesagt hast, stimme ich voll zu

    • leisesprecher@feddit.org
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      3 months ago

      Nee, das ist kein Missverständnis, sondern nur weiter in die echte Welt gedacht.

      Bleiben wir bei deinem Beispiel. Wir könnten jetzt analysieren, warum gerade Schwule die scapegoats sind und herausstellen, dass hier eben andere Gründe vorliegen. Söder (pars pro toto) wird daraus aber machen, dass wir verhindern müssen, dass Schwule bevorzugt eingestellt werden, weil ja dadurch die guten Heten keine Jobs kriegen.

      Es wird also anerkannt, dass keine Schuld vorliegt, aber eine Politik gemacht, die das zugrunde liegende Ressentiment trotzdem bestätigt.

      Aber letztlich sind wir da auch in einem Kreis gefangen: warum glauben die Menschen denn Söder? Weil er ihre Ressentiments und Stimmungen bedient. Und die müssen sie auch nicht hinterfragen, weil es ja immer Leute gibt, die diese bestätigen. Warum würde der Maggus denn das gleiche denken wie ich, wenn es nicht stimmen würde?