Manche Fragen stellten sich fast jedem Teenager mal: wie geht es nach der Schule weiter, wie gefalle ich dem anderen Geschlecht, wie erzähle ich meinen Eltern von der schlechte Note?
Andere Fragen stellten sich wohl nur mir: wie pisse ich Ingo Berg, genannt Ingeborg, in den Briefkasten?
Die Idee ließ mich nicht los. Nachdem Ingeborg mir eine CD mit fürchterlichem Inhalt untergejubelt - und mich damit vor mindestens einem Elternteil fürchterlich blamiert hatte - wollte ich Rache.
Ingeborg lebte mit seinem Bruder einer eigenen kleinen Wohnung im Souterrain im Haus der Eltern, mit eigenem Briefkasten, und Kevin hatte die Idee, dass wir Hundestuhl sammeln und beim ihm in den Briefkasten werfen könnten.
Die Idee gefiel mir nicht. Erstens störte mich die Vorstellung, draußen rumzulaufen und Stuhl zu suchen. Das fand ich würdelos und nicht elegant. Außerdem verlangte die Ehre: wenn Exkremente in Ingos Briefkasten landen, so sollten es meine sein. Aber wie?
So ging ich dann mal am Wochenende an Ingeborgs Haus vorbei, um die Lage zu checken. Diese war ernüchternd: der Briefkasten des kleinen Einfamilienhauses war deutlich außerhalb meiner Reichweite, und zudem von der Straße aus sehr sichtbar. Also zurück zu Kevin geradelt, der gerade mit seinem Cousin aus dem Ruhrpott Nintendo zockte, und das Problem beschrieben.
Der Cousin, ohne zu zögern, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt: “Ja dann musst du den halt pissplatteln.” Was? “Ja pissplatteln. Also Pisse in einer Rohlingspindel einfrieren und die Pissplatte dann den Briefschlitz stecken.”
Es war so elegant. Es war so stilvoll. Es war, so darf ich heute sagen, fast schon nobel. Als würde ich ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. CD-förmige Rache. Gelbe, gefrorene Gerechtigkeit.
Und wie es der Zufall will, hat Kevin in seiner Garage eine große Gefriertruhe, und so frieren wir unsere Pisse in zwei Spindeln von CD-Rohlingen ein. Kevin hat zwar keine Rachegelüste, aber wie ein Golden Retriever will er einfach dabei sein und mitmachen.
So ziehen wir los, perfide Postboten der Pisse.
Nach der Lieferung frag ich Kevin, wer seine Zustellung erhalten hat, und Kevin erklärt, dass er sich einen beliebigen Nachbarn ausgesucht hat, damit das Verbrechen willkürlich wirkt, damit niemand auf uns kommen kann. Ich halte die Logik für so wasserdicht wie die Deckel der CD-Spindeln, aber weil wir dumme Teenager sind, können wir es natürlich nicht bei unserem perfekten Verbrechen belassen.
Stattdessen machen wir “Pissdisking” (denn wir sind cooler und moderner als die Ruhrpottkinder) zu einer Art Sport. Täglich landen irgendwo unsere Disks in irgendwelchen Briefkästen. Jede leichte Provokation wird mit einem nassen Briefkasten geahndet, und für jeden Racheakt kommen drei weitere, widerlich-willkürliche Zerstörungsakte hinzu.
Dann flogen wir zu nah an die Sonne, Peekarus, sozusagen:
Statt es einfach dabei zu belassen, gingen wir zu Ingo, um uns mehr leere Spindeln zu besorgen. Durch seinen Bruder hatte er davon haufenweise über. Die Dreistigkeit dieser Idee gefiel mir besonders und nach ein paar Wochen hatten wir zehn Spindeln zusammen. Um beim Verteilen der Pissdisks nicht aufzufallen, haben wir sie Prospekte gesteckt und sahen für Beobachter aus, wie Jungs die sich etwas Taschengeld dazu verdienen.
Bis uns einer von Ingos Nachbarn, unser erstes willkürliches Opfer, bei frischer Tat ertappte.
Prospekt in den Briefkasten, Tür geht auf, der Herr nimmt die Pissplatte direkt aus dem Briefkasten, sieht uns, wir rennen weg. Er erzählt die Geschichte rum, von den Jungs die CDs auf Pisse in Briefkästen verteilen, und irgendwie hört Ingo davon - und zählt natürlich eins und eins zusammen.
Irgendwann radel ich dann nach der Schule nach Hause und Ingos Bruder fängt mich ab, verpasst mir die Prügel meines Lebens.
Verdient? Ja, vermutlich.
Finds ne lustige Storry und dann juckts mich auch irgendwie nicht, ob tatsächlich so stattgefunden