AfD-Funktionäre planten jüngst bei einem Geheimtreffen massenhafte Deportationen. Das folgte bis in die Wortwahl einer Schrift des Nazi-Juristen Carl Schmitt.

Wäre die AfD eine gesichert linksradikale Partei, sie wäre auf Betreiben der Unionsparteien und ihr nahestehenden Medien womöglich längst verboten worden. Ihre chronisch menschenfeindliche Propaganda, ihre revolutionären Hetzreden gegen das “Establishment”, dann die gut dokumentierten Beziehungen ins extremistische Lager sowie opake Kontakte zum bewaffneten Untergrund – all das wäre vermutlich ausreichend Material für einen erfolgreichen Verbotsantrag in Karlsruhe gewesen.

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Es ist immer wieder erstaunlich, wie langlebig gut konservierte Irrtümer sind. In den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gab es nämlich schon einmal eine vermeintlich staatstragende Bewegung, bürgerlich vom Scheitel bis zur Sohle und im intellektuellen Habitus durch und durch konservativ. Tatsächlich aber handelte es sich um rechtsrevolutionäre Antibürger, oder wie man heute weiß: um die Totengräber der Weimarer Republik und die Jasager von 1933. Einer ihrer wirkmächtigsten Stichwortgeber war Carl Schmitt, ein scharfsinniger Rechtswissenschaftler und geachteter Bürger aus Plettenberg im Sauerland. Vor ziemlich genau einhundert Jahren, im Sommer 1923, verfasste er eine Abhandlung mit dem Titel Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, drei Jahre später erschien die zweite Auflage mit einer “Vorbemerkung über den Gegensatz von Parlamentarismus und Demokratie”.

Die Lektüre dieser Vorbemerkung ist auf schockierende Weise aktuell, denn bis hinein in die Wortwahl liefert sie die geistige Blaupause für die Vertreibungspläne der AfD. Bürgerlich im Ton, durchweg sachlich und moralisch ungerührt doziert Schmitt über die Vorzüge einer von vermeintlich fremdartigen Elementen gesäuberten, lupenrein homogenen “Demokratie”; es fallen die Worte “Ausscheidung” und “Vernichtung”. Um Säuberung und Vertreibung ging es auch in jener Gesellschaft, die sich im November im stockbürgerlichen Potsdamer Landhaus Adlon versammelt hatte, um die ethnische Homogenisierung Deutschlands zu planen, die Reinigung der Nation von heterogenen rassischen Elementen und undeutschen Andersdenkenden. Wie die Rechercheplattform Correctiv berichtete, saß das AfD-Mitglied Roland Hartwig mit am Tisch, der – inzwischen entlassene – Referent von Alice Weidel. Angereist waren auch Vorstandsmitglieder der CDU-WerteUnion aus Nordrhein-Westfalen sowie ein – mittlerweile zurückgetretenes – Vorstandsmitglied des Vereins Deutsche Sprache (VDS), der die illegale Einwanderung von Fremdwörtern in den deutschen Sprachkörper bekämpft.

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Der Philosoph Jürgen Habermas hat Schmitts Schriften einmal als “Einstiegsdroge in den Traum vom starken Staat und von der homogenen Nation” bezeichnet, mit ihr ließen sich den Themen “Innere Sicherheit”, “Überfremdung” oder “Durchrassung” ein gewisser intellektueller Glanz verleihen. Aus der Einstiegsdroge ist inzwischen ein mörderisch aufgeputschtes Programm für eine Vertreibungsoffensive geworden, ein “Masterplan” für die zwangsweise Säuberung des Landes von Migranten, Nicht-Assimilierten und missliebigen Linken. Friedrich Merz, in tiefer Sorge darüber, dass Asylbewerber “beim Arzt sitzen und sich die Zähne neu machen lassen”, während “die deutschen Bürger nebendran keine Termine kriegen”, hat die – aus seiner Sicht unbürgerlichen – Grünen bekanntlich zum Hauptgegner der einwandfrei bürgerlichen Christdemokraten ausgerufen. Nun, nach dem Bekanntwerden der unter AfD-Beteiligung vorangetriebenen Deportationspläne war es höchste Zeit, dass seine Partei den Zustand ihrer rhetorisch durchlöcherten “Brandmauer” noch einmal aus der Nähe betrachtet. Hatte nicht Andreas Rödder, immerhin der ehemalige Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission, kürzlich noch das Stemmeisen angesetzt? Nach Meinung des Mainzer Historikers sei nichts dagegen einzuwenden, wenn eine CDU-geführte Minderheitsregierung gelegentlich auf die AfD als Mehrheitsbeschafferin zurückgreife – nur Absprachen dürfe sie mit der rechtsradikalen Partei nicht treffen.

Rödder hat laut ausposaunt, was einige Christkonservative im Stillen denken mögen. Hilfreicher wäre es, wenn die Partei final klären würde, was sie unter wehrhafter Demokratie versteht und wo für sie der bürgerliche Konservatismus endet und der Faschismus beginnt. Auf die Konservativen kommt es an; sie müssen unmissverständlich die AfD ächten und mithelfen, das Erpressungspotential der Systemsprenger zu minimieren – der Jurist Maximilian Steinbeis hat dazu bereits einige Handreichungen unterbreitet. Gelingt es nicht, könnte der Tag kommen, an dem der Carl-Schmitt-Leser Björn Höcke ein Loblied auf die Demokratie anstimmt und sie für die fantastische Möglichkeit rühmt, dass man ihre parlamentarischen Verfahren auch dafür nutzen könne, die Demokratie wieder abzuschaffen.