Chinesische Dumpingpreise drohen den aufziehenden Boom der Solarindustrie zu beenden. Die europäischen Hersteller rufen die Politik zu Notkäufen und Importstopps auf.

Solar boomt in Deutschland wieder. Das könnte man jedenfalls meinen. Gerade erst wurden die deutschen Ausbauziele für Solarenergie erreicht, drei Monate vor Jahresende. Nur passen diese guten Nachrichten für die Energiewende schlecht zu dem Notruf, den die europäische Solarindustrie kürzlich nach Brüssel abgesetzt hat.

In Europas Häfen, vor allem Rotterdam, stapeln sich gigantische Mengen an Solarmodulen aus China, schreiben 40 Hersteller aus Europa in einem Brief an die EU-Kommission. Bis zum Ende des Jahres würden es 120 Gigawatt an Kapazität sein – doppelt so viel, wie Europa im ganzen Jahr voraussichtlich installiert. Die Folge: Die Preise für Module sind um 35 Prozent gefallen. “Wenn nichts geschieht, werden viele europäische Hersteller substanzielle Schwierigkeiten bekommen, in manchen Fällen sogar pleitegehen”, heißt es in dem Brief.

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  • bmaxv@noc.social
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    1 year ago

    @Haven5341

    “Die solar module sind zu billig” hatte ich nicht auf meiner Bingokarte.

    Das das überhaupt ein Problem ist, ist ein sehr deutsches Phänomen. Oder ein europäisches.

    Hier könnte die Politik mal sinnvoll eingreifen, ein paar Kredite in die Hand nehmen und die Dinger einfach auf irgendwelche Felder stellen. Leute währenddessen ausbilden.

    Aber dafür ist wahrscheinlich kein Geld da.

    • Haven5341@feddit.deOP
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      1 year ago

      Aber dafür ist wahrscheinlich kein Geld da.

      Geld ist schon da. Es ist halt die Frage, wie man es einsetzt. Einfach nur mal kurz gegoogelt:

      Jahr für Jahr unterstützt der Staat Anschaffung und Betrieb von Firmenautos mit mehr als drei Milliarden Euro. Davon profitieren vor allem Wohlhabende.

      https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/dienstwagen-privileg-umverteilung-abschaffen-1.5441037

      Eine derartige Kerosinsteuer würde der EU-Studie zufolge keine negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft oder den Arbeitsmarkt haben, erklärte T&E. “Gleichzeitig könnten jährlich fast 27 Milliarden Euro an Einnahmen erzielt werden.”

      https://www.n-tv.de/politik/Steuer-auf-Flugbenzin-braechte-Milliarden-article21022033.html

      Usw. Usf.

      Das Bundesumweltamt hat z.B. auch eine Liste von Umweltschädlichen Subventionen in Deutschland (PDF)

      Das eine oder andere macht da bestimmt trotzdem Sinn. Aber man könnte da sicherlich auch einige Mittel umschichten.

    • not_exactly@feddit.de
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      1 year ago

      die Dinger einfach auf irgendwelche Felder stellen

      Mancherorts wird das versucht, aber die üblichen besorgten Bürger wissen das in der Regel zu verhindern. Wegen Paywall hier die Auszüge:

      Die Botschaft ist nicht nur für Giese klar: „Ich werde öffentlich als gierig angefeindet, weil ich zu denen gehöre, die Land für die Photovoltaik-anlage von 110 Hektar freigeben wollen“, ahnt der Tempelfelder Bauer. Gemeint ist die Planung eines Solarfeldes zwischen Tempelfelde und Grüntal, das sich in der Vorbereitung befindet.

      Die Freundin von Gieses Sohn hatte schon morgens beim Spaziergang mit dem Hund eine Reihe von Pappnägeln gefunden, die in der Einfahrt zum Giesehof und auf der Straße nach Beierdorf ausgelegt wurden. Übermäßig lange Nägel, sogar in verchromter Ausführung. (…) Die Polizisten hatten sich an die Arbeit gemacht, einige Tempelfelder halfen dabei. Dass nicht alle Nägel erwischt wurden, hat sich inzwischen auch herumgesprochen. Bis zum Donnerstagabend war von sieben platten Reifen die Rede. Zudem soll sich ein Hund mit einem Nagel beim Gassigehen verletzt haben.

      Für Giese bildet dieser Anschlag den Gipfel der Dreistigkeiten. Seit drei Jahren erlebe er Anfeindungen, Sticheleien und sogar gefakte Anzeigen gegen ihn. „Angegriffen werden komischerweise nur die beiden Landwirte, die mit ihrem Land dabei sind.

      Das ist übrigens die Gegend hier in Brandenburg, in der der lokale Ableger der freien Wähler ansonsten mit Anti-Windkraft-Parolen Erfolge feiert.

      • _s10e@feddit.de
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        1 year ago

        What? Welcher Nachteil entsteht denn durch Solar auf Nachbars Feld? Gesellschaftlich könnte man ja noch mit der Versorgung mit Lebensmitteln durch lokale Bauern (an Stelle von Importen aus geopolitisch potentiell schwierigen Gegenden) argumentieren, aber ein paar Solarzellen statt Futtermais?

        • not_exactly@feddit.de
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          1 year ago

          Auf den betroffenen Feldern wird tatsächlich vor allem Futtermais angebaut, viel mehr geben die meisten Böden hier nicht her. Auch ansonsten hat der betroffene Bauer gut nachvollziehbare Gründe:

          „(…) Ich bringe Ackerböden mit geringer Punktezahl ein. Das sind leichte Standorte, auf denen Mais oder Roggen steht. Eine weitere Fläche ist in der Qualität sehr wechselhaft. Ich mache das ausdrücklich nicht, um mich zu bereichern. Mir geht es um Sicherheiten für den landwirtschaftlichen Betrieb, den mein Sohn einmal übernehmen möchte. Diesel und Dünger werden immer teurer, Fördermittel wird es nicht mehr geben“, beschreibt Giese die Zukunft.

          Wirkt also wie jemand, der nicht nur aktuelle Probleme verstanden hat, sondern auch für die Zukunft solide planen will.

          Die Gegenseite hat die üblichen NIMBY-Argumente („wir sind nicht gegen Solar- & Windenergie, aber bitte nicht hier“, „uns hat keiner gefragt“, „was ist mit den Tieren vom Ponyhof nebenan“, „aber die Grundstückspreise“) und versucht das Projekt im Wesentlichen zu verhindern, alternativ mindestens erheblich zu verzögern. Dass es auch derartige Attacken gibt, war mir allerdings neu. Auf der anderen Seite ist der Barnim eine ziemliche Schwurbler- und Wutbürgerhochburg, da kommt das auch nicht so wahnsinnig überraschend.

          Falls sich noch jemand weiter einlesen will, um dieses Projekt hier geht es: https://solarenergie-tempelfelde.de

          Webseiten und Telegram-Gruppen der Gegenseite findet man relativ leicht, ich mag die aber nicht selbst verlinken.

  • Oozlebamboozle@feddit.de
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    1 year ago

    Sehr spannender Artikel, danke fürs Teilen. Was ich bisher nicht wusste:

    Für die chinesischen Dumpingpreise sieht Erfurt zwei Gründe. Zum einen haben die USA den Import von Solarprodukten, die mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt worden sind, verboten. Der Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) wurde vor gut einem Jahr wegen der Unterdrückung der uigurischen Minderheit in der Provinz Xinjiang verabschiedet, aus der ein großer Teil des chinesischen Siliziums stammt. Seit März dieses Jahres wird die Einfuhr hart kontrolliert.

    Hier könnte die EU ja nachziehen und vor allem auch Deutschland, wenn sie es es mit Lieferkettengesetz ernst meinen. Zum anderen auch eine interessante Idee:

    Als Soforthilfe schlagen die Hersteller vor, dass Brüssel die überschüssigen europäischen Solarmodule aufkauft und im Rahmen bestehender Hilfsprogramme an die Ukraine liefert. Andreas Bett vom Fraunhofer ISE hält die Idee für interessant: “In der Ukraine werden schon jetzt PV-Anlagen mithilfe europäischer Regierungen aufgestellt. Sie haben den Vorteil, dass man in einem zerstörten Energiesystem die Versorgung lokal aufbauen kann.”

    Sicherlich auch eine nette Idee. Dennoch muss man sich die Dimensionen mal klar werden; da haben wir momentan das zweifache des europäischen Jahresbedarfs an PV-Installationsleistungen einfach so rumliegen! Klar kann man, wie im Artikel beschrieben, eine “Made-in-Europe”-Prämie zahlen, letztendlich MÜSSEN aber schnellstens die ganzen Dinger auf alle Dächer. Hier sollte die EU und Dtl. dringend was machen wenn wir schon einmal die einmalige Gelegenheit haben, so viele Module zu nem günstigen Preis zu bekommen.

    • tryptaminev 🇵🇸 🇺🇦 🇪🇺@feddit.de
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      1 year ago

      Volle Zustimmung. Das Problem ist nicht, dass wir billige Solarmodule rumliegen haben, sondern dass wir zu doof sind sie direktzu verbauen.

      Mit den 120 GW können wir ca. 20-30 konventionelle Kraftwerke ersetzen (Bei 1000 Volllaststunden Solar und typischer Größe von nem Kohlekraftwerk mit 500MW).

      Mitnehmen mitnehmen mitnehmen! Und dann den Schwung weiter nutzen, damit die europäische Industrie und Handwerk künftig selber 120 GW im Jahr raushauen können.

    • federalreverse-old@feddit.de
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      1 year ago

      Für die chinesischen Dumpingpreise sieht Erfurt zwei Gründe. Zum einen haben die USA den Import von Solarprodukten, die mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt worden sind, verboten. Der Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) wurde vor gut einem Jahr wegen der Unterdrückung der uigurischen Minderheit in der Provinz Xinjiang verabschiedet, aus der ein großer Teil des chinesischen Siliziums stammt. Seit März dieses Jahres wird die Einfuhr hart kontrolliert.

      Der große Witz ist ja, dass die Zwangsarbeit die Module nicht auf direktem Wege günstiger macht. Zwangsarbeitys tendieren naturgemäß dazu, weniger gern und weniger ordentlich zu arbeiten. Die Zwangsarbeit ist aber die Vorbedingung dafür, dass der chinesische Staat Subventionen gibt. Die Firmen nehmen uigurische Zwangsarbeitys einerseits aus patriotischen Gründen (als guter Konzern will man bei der Umerziehung mithelfen) und andererseits aufgrund der Subventionen. (An die Quelle, wo ich das gelesen hatte, kann ich mich gerade nicht erinnern. Verzeiht.)

  • occhineri@feddit.de
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    1 year ago

    Die Idee ist, dass Produkte mit einem gewissen Made-in-Europe-Anteil eine Prämie erhalten. Manche Ausschreibungen wären auch nur für solche Marktteilnehmer reserviert.

    Die amerikanischen Subventionen haben Meyer Burger selbst erst kürzlich zu einer Expansion in den USA verleitet.

    Also den Zugang zum eigenen Markt für alle andern beschränken, aber gleichzeitig expandieren wollen. Das ist doch 1:1 das chinesische Modell. Bin gespannt, was die Amis dazu sagen.

    • AntonMuster
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      1 year ago

      Ja was sollen die Amis denn sagen? Die machen doch genau das gleiche. Das hier könnte man höchstens als Reaktion darauf sehen.

  • cron@feddit.de
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    1 year ago

    Klingt nach einem europäischen Dilemma: günstige Solarmodule sind gut für die Energiewende, aber lokale Forschung und Produktion ist auch wichtig.

    Da die Modulkosten ohnehin nur einen recht kleinen Anteil an einer PV-Anlage haben, wären auch geringfügig teurere Module gut verkraftbar.

    • TwoCubed@feddit.de
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      1 year ago

      Genau das. Ich habe solar module “made in Germany” auf dem Dach. Teuer war das Installieren, nicht die Module. Deswegen rät man ja auch immer dazu, das Dach so voll wie möglich zu packen. Natürlich auch weil es einfach sinnvoll ist, aber die Dachdecker und Elektriker kosten das meiste.

  • gandalf_der_12te@feddit.de
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    1 year ago

    Ich denke, da geht es darum, dass sich die europäischen Solarparkbetreiber absichern möchten, falls aus China in der Zukunft keine Solarmodule mehr geliefert werden können.

    Mögliche Gründe:

    • Verbote von Seiten der USA
    • Verbote von Seiten Chinas
    • anderes

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    Ehrlich gesagt sehe ich jetzt nicht das Problem dabei. Vorratshaltung ist doch etwas Gutes. Die Alternative ist Just-In-Time-Produktion, die bekanntermaßen (Covid) sehr störanfällig werden, v.a. bei Produkten aus China. Man möchte sich schließlich beim Aufbau von PV-Anlagen nicht ausbremsen lassen.