tl;dr: Der zuständige Proberichter hätte den Durchsuchungsbeschluss nicht ausstellen dürfen, dazu war zum einen die Beweislage viel zu dünn. Zum anderen fehlt die Beteiligung der Staatsanwaltschaft. Dass Frau Merz zunächst keine Kenntnis hatte, ist hingegen sehr plausibel.

  • CyberEgg
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    38
    ·
    2 months ago

    Bereits aus diesem Grund ist der knappe Durchsuchungsbeschluss des AG Arnsberg grob fehlerhaft. Das allein begründet noch keinen Skandal; zu häufig werden Durchsuchungsbeschlüsse vom LG oder dem BVerfG kassiert.

    Ich halte jeden Durchsuchungsbeschluss, der ohne einen ausreichenden Verdacht und unverhältnismäßig angeordnet und durchgeführt wird, für einen Skandal, gerade weil Hausdurchsuchungen so krasse Eingriffe in die Grundrechte eines Menschen darstellen, und obendrauf weil dabei ja auch vermeintliche Beweise gesichert werden, die zurückerlangen oft immense Anstrengungen von den Betroffenen erfordert und deren fehlen, gerade wenn es sich um Computer und Mobilgeräte handelt, einschneidend für den Alltag ist.

    Dass der unverhältnismäßige und offensichtlich unzureichend begründbare Durchsuchungsbeschluss hier so leichtfertig mit “wird ja doch kassiert” abgetan wird, spielt die Schäden, die daraus entstehen können, stark herunter. Ziemlich uncool.

    • JoKi@feddit.org
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      12
      ·
      2 months ago

      Ich spiele mal den Advocatus Diaboli (sorry für den Witz): Da es sich um eine Fachseite handelt unterstelle ich hier nicht unbedingt Verharmlosung sondern einfach eine nüchterne (vielleicht auch resignierte) Feststellung, dass dieser Fehler nicht auffällig außergewöhnlich sondern leider unauffällig gewöhnlich ist. Das macht den Fehler zwar nicht wett, allerdings auch ein Verschwörung bei Gericht unwahrscheinlicher.

      • CyberEgg
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        7
        ·
        2 months ago

        Das macht […] ein Verschwörung bei Gericht unwahrscheinlicher.

        Die Verbindung wollte ich damit gar nicht knüpfen.

        Ich meine aber, dass jede einzelne Instanz dieser ungerechtfertigten Durchsuchungsbeschlüsse ein Skandal für sich ist, und die Häufigkeit und Normalisierung auch nochmal ein eigener Skandal.
        Und ich meine auch, dass ein Fachblatt das (ganz nüchtern) erkennen können und benennen sollte.

        • JoKi@feddit.org
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          2
          ·
          2 months ago

          Ich würde es auch begrüßen, wenn dieser Fall zu einer umfangreicheren Berichterstattung und Debatte über solche Fälle führen würde. Und gerne darf dieses Fachblatt damit beginnen. Da der Beitrag selbst allerdings diesem speziellen Fall gewidmet ist, wäre das für mich der falsche Ort.

          • CyberEgg
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            3
            ·
            2 months ago

            Da der Beitrag selbst allerdings diesem speziellen Fall gewidmet ist, wäre das für mich der falsche Ort.

            Kommt drauf an. Man kann ja durchaus mit einem spezifischen Fallbeispiel einleiten, darauf aufbauen und “herauszoomen”, um das große Ganze zu beleuchten. Aber ich verstehe, was du meinst. Dennoch finde ich es kritikwürdig, das als “nicht skandalös” abzutun.

            • JoKi@feddit.org
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              2 months ago

              Man kann ja durchaus mit einem spezifischen Fallbeispiel einleiten, darauf aufbauen und “herauszoomen”, um das große Ganze zu beleuchten.

              Ja, das wäre eine gute Möglichkeit um das Thema einzuleiten. In diesem Bericht werden allerdings mehrere Punkte angeschnitten. Ein eigener Bericht, der diesen Teil nochmal aufnimmt, erklärt warum auch jenseits von Frau Merz zu viele Fehler passieren und idealerweise hier noch verlinkt wird, wäre für mich eine gute Lösung.

              Dennoch finde ich es kritikwürdig, das als “nicht skandalös” abzutun.

              Wie gesagt, ich vermute der “Skandal” diente in diesem Fall vor allem als Vergleich zur üblichen Praxis. Im gleichen Satz wird auch bemängelt, dass solche Fehleinschätzungen “zu häufig” passieren, also ein gewisses Bedauern wird schon zum Ausdruck gebracht. Und im folgenden Satz wird deutlich gemacht, dass es trotz dieser Umstände noch weitere Auffälligkeiten gab.

              Ist insgesamt vielleicht nicht optimal formuliert, im Kontext mit erscheint es mir dennoch nicht so als würde der Autor solche Fälle abtun.

              • CyberEgg
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                2 months ago

                Ja, das wäre eine gute Möglichkeit um das Thema einzuleiten. In diesem Bericht werden allerdings mehrere Punkte angeschnitten. Ein eigener Bericht, der diesen Teil nochmal aufnimmt, erklärt warum auch jenseits von Frau Merz zu viele Fehler passieren und idealerweise hier noch verlinkt wird, wäre für mich eine gute Lösung.

                Absolut, das wäre wünschenswert.

                Ist insgesamt vielleicht nicht optimal formuliert, im Kontext mit erscheint es mir dennoch nicht so als würde der Autor solche Fälle abtun.

                Abtun war vielleicht meinerseits ein falscher Ausdruck. Aber auch in diesem Kontext hätte ich mir einfach gewünscht, dass es schärfer kritisiert würde.

    • Fiona@lemmy.blahaj.zone
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      12
      ·
      2 months ago

      Ich habe dem Autor jetzt mal folgende Email geschrieben:

      Sehr geehrter Herr Kolter,

      In ihrem Artikel “Der Skandal ist nicht Char­lotte Merz”[1] findet sich der Satz

      Das allein begründet noch keinen Skandal; zu häufig werden Durchsuchungsbeschlüsse vom LG oder dem BVerfG kassiert.

      Ich sehe was sie hier mutmaßlich zum Ausdruck bringen möchten, halte es aber für sehr bedenklich, dass sie dies so formulieren, als wäre nicht jede illegale Hausdurchsuchung für sich ein Skandal. Es handelt sich hier um einen krassen Grundrechtseingriff der auch stark traumatisieren kann. Es wäre daher wahrscheinlich gut, diese Formulierung dahingehend anzupassen. (Auch dass diese Beschlüsse „zu häufig“ kassiert werden ist nicht optimal, da das Problem ja nicht ist, dass sie kassiert werden, sondern dass sie überhaupt erst erlassen wurden.)

      Mit freundlichen Grüßen,
      Fiona Weber

      [1] https://www.lto.de/recht/justiz/j/ag-lg-arnsberg-charlotte-merz-kruschinski-durchsuchung

      Mal sehen, ob was zurück kommt…

      • CyberEgg
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        5
        ·
        2 months ago

        Spannend. Ich habe mit einem ähnlichen Gedanken gespielt, allerdings ist mein Kopf heute zu voll mit anderen Dingen. Ich setze mich morgen mal dran, wenn du vorher etwas hörst, kannst du das gerne teilen.

        (Keine Ahnung, ob du da sonst drauf achtest (oder ob das überhaupt dein echter Name ist), aber vielleich willst du deinen Klarnamen nicht in einem öffentlichen Forum posten.)

    • ctenidium@lemmy.world
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      3
      ·
      2 months ago

      Volle Zustimmung! Der konkrete Fall und die Normalisierung von unangemessenen Durchsuchungen ist ein Skandal.