Psychiater über Otrovertierte
„Manche Leute gehen mit einem Alien-Gefühl durchs Leben“
Oft ist in der Psychologie von Introvertierten und Extrovertierten die Rede. Psychiater Rami Kaminski will einen dritten Typus identifiziert haben.
Oft ist in der Psychologie von Introvertierten und Extrovertierten die Rede.
Doktor in Psychologie hier. Nein, ist es nicht. Wenn ueberhaupt, dann ist von der Persoenlichkeitsdimension Extraversion die Rede, wo niedrige Auspraegungen dann Introvertiertheit entsprechen. Typologien dieser Art sind, vorsichtig formuliert, nicht state of the art. Weniger vorsichtig: Bloedsinn auf dem Niveau eines Buzzfeed-Tests, welche Art von Laugengebaeck man ist.
Ich liebe es, wenn solche Artikel Scheiße verzapfen, Sachen als allgemein bekannte Fakten hinstellen und es dann an einem zufällig vorbeigestolperten Fachmenschen hängen bleibt, die Grütze richtigzustellen.
Danke für deinen Beitrag.
Nichts erschüttert das Vertrauen in Journalismus so sehr, wie einen Artikel zu einem Thema zu lesen in dem man Experte ist
Geht mir regelmäßig so mit Statistiken.
Bin professioneller Datenverdreher. Naja, eigentlich Analyst, aber selbst die “ehrlichste” Analyse dreht die Zahlen in eine bestimmte Perspektive. Die Ehrlichkeit liegt dann darin, den Kontext transparent zu machen: Die Kriterien, nach denen du deinen Datensatz zusammenstellst und filterst, was genau du als Anteil oder Gesamtes betrachtest, welches Maß du verwendest…
Sei jetzt mal fiktiv aus der Luft gegriffen und definitiv an keinen echten Beispielen orientiert:
Ein Betrieb mit Warenversand, nennen wir in BWV, hat zwei unterschiedliche Versandsysteme für innerhalb der Region und außerhalb. Innerhalb der Region haben sie einen Zusteller, der morgens die Pakete abholt und ausliefert. Für alles weiter weg verwenden sie einen Paketservice, dem sie das dann erst bringen müssen und der das dann eben in seine Versandsysteme packt.Entsprechend variiert die Lieferzeit, von (meistens) 1 WT zu 3-4 WT. Einfach einen Durchschnitt von 1.2 WT hinwerfen ist schlichtweg nicht aussagekräftig. Jede Statistik die ich darüber machen will muss klarstellen, welchen der beiden Teile ich betrachte. Wenn ich beides in einem haben muss, muss ich die Natur und Abhängigkeit dieser Streuung kommunizieren. Wenn ich die stornierten Bestellungen nicht mitzähle, muss ich das zumindest erwähnen.
Überraschung, das tun Journalisten halt oft genug nicht. Bei jeder Aussage “52% der X sind Y” will ich wissen wie X zusammengesetzt ist und was eben ausgelassen wurde, und welche Kriterien für Y angesetzt wurden. Gerade bei Stichproben ist auch immer die Frage, was sie repräsentieren.
Ganz krasses Beispiel ist der MMR-Impf-Hoax. Die “Studie” war eine Pilotstudie mit zwölf Kindern, die Auffälligkeiten hatten. Da kann ich genausogut mit gezinkten Würfeln einen Datensatz generieren und dann erfinden was er aussagen soll. (Da hängt noch mehr Dreck an dem Stecken, ist aber nicht mein Feld – da darf gerne jemand anderes zu beitragen.)
Danke. Dafür bin ich im Fediverse XD
Irgendwie geht das nur völlig am Thema des Artikels vorbei.
Noe, betrifft den Kern des Themas. Ob diese sogenannte Entdeckung sich wissenschaftlichen Standards fuer diese Klasse von Entdeckungen von unten auch nur annaehert ist hier relevant.
Ich sehe aber nicht, dass der Mann behauptet, dass es nur binäre diskrete Kategorien gibt (denn das ist doch der Kern deiner Kritik, nicht wahr?). Vielleicht hat der taz-Journalist das ein bisschen zu sehr vereinfacht. Aber Artikel in der Tagespresse über wissenschaftliche Hypothesen und Entwicklungen müssen doch vereinfachen, damit für den durchschnittlichen Leser nicht das Wesentliche im Fachchinesisch untergeht. Hier ist ein Artikel im New Scientist, den zumindest Kaminski selber verfaßt hat.
Und es ist ja auch grundsätzlich gut, dass es solche Artikel gibt. Sonst wüßten z.B. viele Leute auch heute nicht, dass es z.B. Dinge wie ADHS gibt, und dass man das fachgerecht diagnostizieren und behandeln kann, was ihnen dann hilft. Ein Hausarzt kann so was ja nun mal eher nicht.
Die Frage ist doch eher: Hat diese Beobachtung / Hypothese, die im Artikel dargestellt wird, tatsächlich Hand und Fuß? Ist das nützlich in dem Sinn, dass es möglicherweise Betroffenen hilft, ihr Leben besser zu gestalten?
Und hier habe ich auch auf der anderen Seite Zweifel an der Substanz deiner Skepsis. Welcher wirkliche Wissenschaftler nimmt einen populärwissenschaftlichen Artikel in der Tagespresse über die neuartige Arbeit einer, vermutlich eher praktisch orientierten Person, zum Anlass diese Arbeit rundweg für Unsinn zu erklären?
Ich gehe doch auch nicht als Physiker hin, lese in der taz 250 Worte über eine neuartige Art Elektromotor, und erkläre dann beim Frühstückskaffee ohne weitere Recherchen, dass das so gar nicht funktionieren kann.
“Dritter” Persönlichkeitstyp
Ignorieren wir einmal, dass Persönlichkeitstheorie schon längst weiterentwickelt wurde, und “introvertiert” und “extrovertiert” nicht als 2 Schubladen, sondern heute häufig als ein weiteres Spektrum gesehen werden. Das bedeutet es ist normal, sich in verschiedenen Situationen anders einzuordnen, oder auch sich irgendwo dazwischen zu sehen. Das wurde schon als “ambivertiert” bezeichnet, was wohl am ehesten den Titel verdient.
Und selbst dann: Ich sehe nicht, wieso das ein eigener Typus sein soll, der im Gegensatz zu den anderen beiden steht. Kann doch genauso gut “introvertiert & otrovertiert” sein was die Leute in den Beispielen des Artikels beschreibt.
Und selbst dann: Ich sehe nicht, wieso das ein eigener Typus sein soll, der im Gegensatz zu den anderen beiden steht.
Gute Frage.
Wenn man diese Definition von Introvertiertheit in den Worten des Psychiaters C.G. Jung, der den Begriff begründete nimmt, ist das was in dem taz Artikel beschrieben wird, vielleicht, anders als ich dachte, schon darin enthalten:
He holds aloof from external happenings, does not join in, has a distinct dislike of society as soon as he finds himself among too many people. In a large gathering he feels lonely and lost. The more crowded it is, the greater becomes his resistance. He is not in the least “with it,” and has no love of enthusiastic get-togethers. He is not a good mixer. What he does, he does in his own way, barricading himself against influences from outside. He is apt to appear awkward, often seeming inhibited, and it frequently happens that, by a certain brusqueness of manner, or by his glum unapproachability, or some kind of malapropism, he causes unwitting offence to people…
For him self-communings are a pleasure. His own world is a safe harbor, a carefully tended and walled-in garden, closed to the public and hidden from prying eyes. His own company is the best. He feels at home in his world, where the only changes are made by himself. His best work is done with his own resources, on his own initiative, and in his own way…
Crowds, majority views, public opinion, popular enthusiasm never convince him of anything, but mere make him creep still deeper into his shell.
Nur: Ich habe nicht den Eindruck, dass man heutzutage selbst starke Introvertiertheit noch so definiert. Was der Begriff heute meint, scheint doch deutlich anders zu sein.
Und selbst dann: Ich sehe nicht, wieso das ein eigener Typus sein soll, der im Gegensatz zu den anderen beiden steht.
Kannst Du diese Einschätzung an konkreten Aussagen im Artikel fest machen? Da wird ja schon begründet, warum Kaminski eine dritte Kategorie für sinnvoll hält. Aus dem taz-Artikel:
Rami Kaminski: Man könnte diese Leute als freiwillige Außenseiter bezeichnen: Sie hegen eine tiefe Skepsis gegen Gruppenbildungen jeglicher Art und halten sich davon fern. Es ist ein Phänomen, das ich in meiner Praxis seit Jahrzehnten beobachte: das Fehlen eines Gemeinschaftssinns. Die Unfähigkeit, sich irgendeiner Gruppe zugehörig zu fühlen, sei es einer Freizeitclique, dem Bürokollegium oder, in großem Maßstab, einer Nation. Dieses Merkmal findet sich in allen Altersklassen, Geschlechtern und Ethnizitäten, egal ob arm oder reich. Die Betroffenen kommen sich in Gruppen stets wie Beobachter oder Besucher vor. Manche sagen auch, sie gehen mit einem Alien-Gefühl durchs Leben, immer mit dem Eindruck, nicht richtig dazuzugehören. Und eigentlich auch gar nicht dazugehören zu wollen.
Das kann man glaube ich nicht als “Introvertiertheit” bezeichnen. Jedenfalls habe ich Introvertiertheit noch nie so beschrieben gesehen.
Kann ja existieren und eine eigene Definition haben, dagegen will ich ja nichts gesagt haben.
Ich weiss nur nicht, warum das im Gegensatz zu introvertiert oder extrovertiert stehen soll. Der Artikel impliziert ja 3 Kategorien: “Introvertiert ODER Extrovertiert ODER Otrovertiert”, ich bin der Meinung, so wie das beschrieben ist, geht ja eher 4 Kategorien: “(Introvertier und Otrovertiert) ODER (Introvertiert und nicht Otrovertiert) ODER (Extrovertiert und Otrovertiert) ODER (Extrovertiert und nicht Otrovertiert)”.
Fehlendes Gruppengefühl mag man eher zu einer Seite des Spektrums zuordnen, aber steht ja nicht im Gegensatz zu, vereinfacht, “viele schwächere Kontakte -” oder “wenige starke Kontakte” pflegen.
Ich weiss nur nicht, warum das im Gegensatz zu introvertiert oder extrovertiert stehen soll.
Ich denke, dass die “Ausrichtung” dieser Dimensionen letztlich nur aus empirischen Daten zu beantworten ist. Wenn Leute, die nach Testscores stark “otrovertiert” sind, regelmäßig sehr geringe Testscores sowohl für “introvertiert” als auch für “extravertiert” haben, dann kann man sagen, dass dies eine eigenständige, sich gegenseitig ausschließende Ausrichtung ist.
Wenn umgekehrt hohe Scores für “Otrovertiertheit” mit 50/50 Wahrscheinlichkeit mit üblichen Scores für sowohl Intro- als auch Extravertiertheit zusammen fallen, dann kann man das Merkmal als unabhängig von dieser Achse, also Orthogonal betrachten.
Merkmale können auch korreliert sein, wie ADHS und Autismus, also relativ häufig gleichzeitig auftreten.
Und schließlich könnten diese Persönlichkeitseigenschaften theoretisch auch direkt z.B. mit Introvertiertheit zusammenhängen, also quasi als bisher unerkannte Begleiterscheinung.
Ausgehend von psychometrischen Tests gibt es da statistische Verfahren wie ANOVA, mit denen man sehr wohl halbwegs objektive Aussagen machen kann.
Allerdings gibt es bei der Beurteilung der Unabhängigkeit nun das methodische Problem, dass die bestehenden Klassifikationen die Existenz einer weiteren Kategorie erst einmal gestatten müssen. Wenn z.B. alles, was nicht introvertiert ist, automatisch in der extravertierten Klasse landet, weil beide schon als gegenseitige Gegensätze gedacht sind ohne ein erlaubtes Drittes, könnten Personen, die in Wirklichkeit otrovertiert sind, als extravertiert klassifiziert werden.
Die Kategorien und daraus abgeleiteten Tests beeinflussen also schon die Beobachtungen und möglichen Schlüsse.
Das ist ein grundsätzliches Problem, das es auch in exakten Wissenschaften gibt. Der Physiker Sir Arthur Eddington hat diesen Sachverhalt einmal mit der Metapher “Das Netz des Physikers” benannt: Wenn ein Physiker z.B. im Bodensee Fische fängt mit einem Netz, das 10 Zentimeter grosse Maschen hat, wird er, auch wenn es kleine Fische gibt, keine Fische entdecken, die kleiner als 10 Zentimeter sind - weil das Netz sie nicht fangen kann. Unsere Konzepte und Methoden beeinflussen also bereits unsere möglichen Beobachtungen.
Klingt konzeptuell erstmal orthogonal, von der Bewchreibung her, wieso sollte das auf die intro-extra Achse?
Kaminski: Innerlich sind sie Außenseiter, äußerlich benehmen sie sich aber oft wie Insider. Gerade weil sie die sozialen Spielregeln so analytisch betrachten, können sie sich ihnen scheinbar mühelos anpassen. Doch die Scharade kostet eine Menge Energie, vor allem in der Pubertät. Ab etwa 25 Jahren, wenn mehr Selbstbestimmung möglich ist, wird es für die meisten Otrovertierten besser.
Interviewer: Wobei es wohl auch im Job schwierig sein kann: Sogenannte Teambuildingmaßnahmen wie „Bowling für die ganze Abteilung“ sind in vielen Firmen heute Pflicht.
Kaminski: Oh ja, eine Hölle für den Otrovertierten, Gruppen-Feeling auf Kommando: eine Qual! Auch der Sinn von „Meetings“ erschließt sich ihm nicht immer.
Dieses komische Teambuilding-Geraffel im Arbeitsleben geht mir auch extrem auf den Senkel. Drei Highlights (oder genauer ausgedrückt besonders dämliche Tiefpunkte) aus meinem Berufsleben:
- Chefs machen als Teambuilding-Maßnahme eine Wanderung im Wattenmehr - mit den Chefs als Wattführer. Eine Angelegenheit, die hohe Kompetenz und großes Vertrauen der Teilnehmer in die Wattführer verlangt, denn die gangbaren Routen existieren aufgrund der Gezeiten teils nur kurze Zeit, und Stellen die man durchwandert, sind wenige Stunden später mit bis zu sieben Meter hohem strömendem Wasser bedeckt. Raum für grobe Fehler gibt es von daher nicht. Auch: Chefs sind weder für besondere Vorsicht bekannt (einer hatte im Jahr zuvor einen schweren durch Fahrlässigkeit verursachten Unfall), noch für einen umsichtigen Führungsstil (tendierem zu extremen Micromanagement).
- Firmenleitung eines Start-Ups macht das NASA-Weltraumspiel mit dem Team - ein bekanntes Planspiel, in dem es darum geht, durch Austausch über eine interessante Problemsituation zu besseren Entscheidungen zu kommen, als ein Einzelner es kann. Im Verlauf drückt der CTO seine persönlichen Ansichten entgegen aller bedachten Argumente durch – mit dem für alle Teilnehmer offensichtlichen Ergebnis eines schlechteren Ausgangs.
- Ein, sagen wir mal, industrienahes Forschungsinstitut beglückt die Neuzugänge eines Jahres mit der Aufgabe, neben der Arbeit, d.h. teils in der Freizeit, die gross aufgezogene Sommerparty des Instituts zu organisieren und Theken usw. zu “bemannen”. Da es kein Budget gibt, sollen Dinge wie Getränke durch private Einlagen vorfinanziert werden. Alles natürlich “rein freiwillig”, aber mit massiven Gruppendruck.
Aber mal so gefragt: Ist so ein Schwachsinn für andere Leute nicht schwer zu ertragen?
Traue niemals einem Psychologen, der das Wort “extrovertiert” statt “extravertiert” benutzt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass diese Person eigentlich keine Ahnung von Psychologie hat.
Traue niemals einem Psychologen, der das Wort “extrovertiert” statt “extravertiert” benutzt.
Hier ist ein von Kaminski selbst verfaßter Artikel im New Scientist, der im Titel den Begriff “Extravert” benutzt.
Ist ja auch ein Psychiater, denn im Psychologiestudium kriegte das Extra- im ersten Jahr, wenn nicht Semester, gesteckt.
Mh, ich sehe da irgendwie keine Notwendigkeit, dass man einen dritten Typus definieren müsste, sondern eher die Erkenntnis, dass wie überall sonst Intro- und Extrovertiertheit keine binären Zustände sind, sondern komplexe und unheimlich individuelle Ausprägungen.
Dass es diese vermutete dritte Richtung nur in Reinform gäbe und nicht in graduellen Ausprägungen, wird aber auch gar nicht behauptet.
Der Test auf der verlinkten Webseite gibt ja auch einen Score an, ähnlich wie etablierte Tests meinetwegen auf ADHS oder Autismus. Und letztere sind ja durchaus reproduzierbar und halten wissenschaftlichen Standards stand (und helfen auch Betroffenen).
Das heisst jetzt nicht, dass es diese behauptete dritte Persönlichkeitsrichtung so in der Art geben muss. Es ist auch sicher angezeigt, bei angeblichen wissenschaftlichen Neuerkenntnissen skeptisch zu sein. Schließlich sind ja auch 99% aller medizinischen Doktorarbeiten mit Statistik methodisch gesehen zweifelhaft.
Und sogenannte Persönlichkeitstests z.B. in Einstellungsuntersuchungen haben zu Recht einen schlechten Ruf (und sind in Deutschland nicht mal erlaubt).
Aber wird hier ernsthaft erwartet, dass die taz wissenschaftliche Fachartikel abdruckt?
Wieso wissenschaftlich? Das ist doch ganz offensichtlich ein populärwissenschaftler Artikel, allein schon aufgrund der Form als Interview - und darum geht es auch nicht. Aber wenn da ein Wissenschaftler eine Hypothese äußert, dann kann man sich ja auch in diesem Kontext damit auseinandersetzen. Mehr könnte ich eh nicht, weil ich fachfremd bin.
Hmmm, finde mich da sehr stark wieder, obwohl ich mich dennoch eher als introvertiert bezeichnen würde.
Der Titel suggeriert eine ähnliche Evidenz wie “Forscher am CERN entdecken neues Anti-Neutrino-Positron-Quark-Bällchen”
Mmmmm, Quarkbällchen
Ich fände eine Formulierung wie “Klinisch arbeitender Psychiater beschreibt dritte soziale Persönlichkeitsausprägung neben Extro- und Introvertiertheit” auch angemessener.
Aber davon abgesehen gibt es auch einfach Wissensgebiete, die nicht so “hart” sind wie Elementarteilchenphysik. Wir wissen auch heute nicht so genau, was Migräne verursacht, wie man Borreliose erkennt, oder wie es in der Geschichte zu Totalitarismus oder Progromen kam. Trotzdem ist es nicht unwissenschaftlich, und ganz und gar nicht irrelevant, sich damit zu beschäftigen.
Und es gibt ja auch so was wie Fortschritt in der Wissenschaft. Chemie und später Kernchemie gingen ja auch mal aus Bemühungen hervor, aus Blei Gold zu machen, oder Verbrennungsvorgänge mit Phlogiston zu erklären.
Weiss nicht. Vielleicht würde mir eine Liste von Persönlichkeitsattributen inkl. deren Ausprägungen je Typ helfen, zu verstehen, warum dieser “dritte Typ” (Otroversion) in diese Reihe gehören soll. Kann sein, ich hab die Begriffe Introversion und Extraversion falsch verstanden. Deshalb irritierts mich mglw. so.
Für mich bezog sich introvertiert / extrovertiert (extravertiert?) darauf, ob und in welchem Maße soziale Kontakte Kraft kosten, um das Bedürfnis nach menschlichen Kontakten zu befriedigen.
Wie gehört jetzt dieser 3. Typ dazu, der sich darüber definiert, ob jemand soziale Kontakte sucht oder nicht, weil er sich fremd oder nicht fremd fühlt? Das beantwortet doch eine ganz andere Frage?
Hier ist eine Liste für diesen postulierten “dritten” Typ:
https://www.othernessinstitute.com/traits-of-otherness/
Ich bin da auch etwas skeptisch, ob das alles so “zusammen gehört”.
Ich muss sagen, ich erkenne mich in vielen Punkten wieder. Einiges trifft aber auch gar nicht zu. Anderes dafür um so mehr.
Persönlichkeitstests sind Horoskope für Leute, die nicht an Horoskope glauben.
Nicht per se, gibt das ganze auch in wissenschaftlich, aber sowas wie MBTI oder eben solche Typologien wie die verlinkte sind halt Quark. Die meisten weit rausgezoomten Eigenschaften des Verhaltens sind eher kontinuierlich verteilt und enden selten in diskreten Kategorien.
Kannst Du das ein bisschen ausführlicher erklären?
Ausserdem kann es doch durchaus sein, dass sich das Verständnis der menschlichen Psyche weiter entwickelt. Im Ersten Weltkrieg gab es Menschen, die mit den Erlebnissen der Schützengräben nicht gut umgehen konnten. Die hat man als “feige” verachtet. Heute versteht man, dass wohl viele eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt haben.
Ebenso wurden im 3. Reich Leute in Konzentrationslager gesteckt, die als “arbeitsscheu” galten. Heute weiss man,dass es z.B. nach Grippeepidemien Personen gibt, die ME/CFS entwickeln und nicht arbeiten können.
Ich glaube, was mich ein bisschen an deiner Kritik stört, ist dass die weitestgehend formal ansetzt, bei einem unwidersprochen populärwissenschaftlichen Artikel, die Substanz der Hypothese aber gar nicht beachtet wird. Wenn die Hypothese falsch ist, müsste man Befunde anführen können, die sie widerlegen.
Ich meine ich als Physiker erwarte von einem taz Artikel über Atomwaffen und Kernspaltung ja auch nicht, dass da Wellenfunktionen und Reaktionsquerschnitte angegeben würden.
Typischer Hufflepuff der sowas sagt!
Interessant. Also sollte man das gesamte Konzept von extrovertiert, introvertiert und weiteren hinterfragen?
Man sollte jede Theorie hinterfragen, die Menschen in einfach definierte Schubladen einteilt. Wie unsere philosophisch begabten Kölner Mitmenschen schon erkannt haben, “jeder Jeck is anders”.
Echte Persoenlichkeitstheirien in denen Extraversion eine Achse ist tun das ja auch nicht!
Erstes Ergebnis fuer ein Beispiel von nem Plot von Extraversion wie man das in der Wissenschaft sehen kann: https://www.researchgate.net/publication/315456499_Extroverts_Tweet_Differently_from_Introverts_in_Weibo/figures Meist sind solche komplexen Eigenschaften mehr oder weniger normalverteilt. Dafuer gibts ne Reihe von Gruenden, einige davon rein statistischer Natur (kurz: summier genuegend viele kleinere zufaellige Komponenten auf und das Resultat geht in eine Normalverteilung ueber), aber mit diskreten Persoenlichkeitsypen sollteste Persoenlichkeitspsychos jagen koennen.
Ich verstehe den Spruch etwas anders: Das bedeutet nicht „Menschen lassen sich nicht kategorisieren“, sondern eher „Wir gehen davon aus,dass alle Menschen Wunderlichkeiten, Spleens oder Macken haben. Wir bemessen den Wert eines Menschen nicht daran, in welche Schubladenzusammenstellung er sich anhand seiner Eigenarten sortiert/sortieren lässt.“
So interpretiere ich den Spruch auch: Dass Menschen halt sehr verschieden sind, alle ihre Eigenheiten haben, und man nicht alles verstehen oder bewerten muss.
Hm. Hast Du schon mal einen Menschen als “ehrlich” oder “unehrlich” bezeichnet? Als “intelligent” oder “nicht so helle”? Als “hilfsbereit” oder “egoistisch”? Als “vertrauenswürdig” oder “Klatschmaul” ?
Sind das keine Schubladen? Und erleichtern solche Dinge nicht den Alltag?
Wir reden hier über wissenschaftliche Theorien oder zumindest populärwissenschaftliche Interpretationen davon. Da sollte man schon strengere Maßstäbe anlegen.
Das ist lächerlich einfach gedacht. Es gibt nunmal Menschen, die kontaktfreudiger sind als andere. Die Einteilung in diese „Schubladen” ist nicht nur nicht schädlich. Sie hilft auch denen, die sich in einer der Schubladen befinden, zu sehen, dass es auch andere Schubladen gibt. Die Schublade gibt den Menschen darin ein Label, durch das es einfacher wird, über sie zu reden.
Hm. Wir denken halt grundsätzlich in Konzepten. Auch Dinge wie “Atome” oder “Rad” sind halt Konzepte, nicht die Realität. Das macht es gerade interessant, auch Konzepte zu hinterfragen!
Natürlich ist das bei menschlichen Persönlichkeiten, die halt sehr vieldimensional sind, schwieriger. Aber wir verzichten andrerseits ja auch nicht auf den Wetterbericht, weil das Wetter jeden Tag anders ist.
„Manche Leute gehen mit einem Alien-Gefühl durchs Leben“
Jo, ging ich auch, bis ich gecheckt habe, dass ich trans bin… vielleicht hat der Psychiater einfach Trans Personen entdeckt, lol
Autisten haben auch gern mal n Alien-Gefühl. Richtig gut wird es aber erst, wenn man Trans und Autimus kombiniert hat. Kann ich definitiv nicht empfehlen, kann man sich aber leider nicht aussuchen. :(
Haha sitze im gleichen Boot. ADHS hab ich auch mitgenommen cause why not.
Autisten haben auch gern mal n Alien-Gefühl.
Das wird in den Kommentaren bei der taz auch angesprochen, dass es da vielleicht eine Überschneidung gibt. (Die im taz-Artikel verlinkte Webseite widerspricht dem aber ausdrücklich, dass “Otherness” direkt mit Asperger oder Autismus zu tun habe.)
Ich glaube andererseits kaum, dass man autistische Menschen über einen Kamm scheren kann. Greta Thunberg ist ja zum Beispiel auch autistisch und wurde als Kind extrem gemobbt[1]. Zum Glück hatte sie bedingungslosen Rückhalt durch ihre Eltern und hat gelernt, sich gegen Arschlöcher zu wehren. Vielleicht hatte ihre intensive Beschäftigung mit der Klimakrise und den wissenschaftlichen Grundlagen nun auch einen autistischen Zug.
Aber was sie als Persönlichkeit ausmacht, ist doch ihre Fähigkeit unehrliches, von Logik freies Geschwafel und Bullshit von Seiten der Regierungen zu durchschauen sowie mit großer Empathie die Situation als Stellvertreterin der jungen Generation zu benennen und Handeln zu fordern. Vielleicht ist das insofern auch etwas, was ein “normaler” Mensch nicht hätte tun können oder jedenfalls keiner in der Art gemacht hat. Aber letztlich ist das sie als Mensch und als Person und ich habe keinen Zweifel, dass ihr Mut schon heute vielen Menschen geholfen hat.
Nachtrag: Was ich aber echt etwas gedankenlos finde von der erwähnten verlinkten Webseite, ist dass die einen online-Persönlichkeitstest mit Namen erfassen will und das Ergebnis noch auf einen US amerikanischen Server speichern möchte.
Zum Einen können ja Fragen auch für den Komplex Autismus relevant sein oder der postulierte eigenständige Persönlichkeitszug könnte, wie ja auch Kommentatoren bei taz meinen, mit Autismus korrelliert sein. Dann gehört so ein Test aber nicht auf einen Server in einem Land, das Minderheiten wie Transmenschen einfach Rechte entzieht und ganze Bevölkerungsgruppen regelrecht terrorisiert. Es gibt ja auch Menschen mit Autismus die wirklich hilfsbedürftig sind und scheinbar zunehmend Leute die sich fragen ob sie in den USA sicher sind.
Zum Anderen wird aus der Beschreibung ja recht deutlich, dass Menschen mit den beschriebenen “otrovertierten” Persönlichkeitszügen - egal ob die jetzt eine Art eigenständige Gruppe mit individuellen Bedürfnissen sind oder nicht - mit der MAGA-Bewegung und einer autoritären, Widerspruch, Kritik und letztlich auch eigenständiges Denken verfolgenden Regierung wenig anfangen können werden. Diese Daten dann auf einem Server zu sammeln ist diplomatisch ausgedrückt keine gute Idee.
Ich glaube andererseits kaum, dass man autistische Menschen über einen Kamm scheren kann.
Kann man definitiv nicht, das geht aber unabhängig vom Autismus-Status eh eher in Ausnahmefällen. Gibt genug Punkte in denen sich innerhalb einer beliebigen Gruppe dennoch die Leute von einander unterscheiden können.
Zum Glück hatte sie bedingungslosen Rückhalt durch ihre Eltern
Definitiv, ich wurde von meinen “Eltern” nur auch noch angegriffen und durfte meine Interessen nie ausleben, weil die meinen Erzeugern nicht gepasst haben. “Ja wozu brauchst du denn xyz” und so Schwachsinn…
und hat gelernt, sich gegen Arschlöcher zu wehren.
Das hat mit Rückhalt durch die Eltern aber nichts zu tun, das geht auch ohne. Rückhalt der Eltern erleichtert es nur.
Jo, ging ich auch
Aber hattest du auch das Gefühl, nicht dazugehören zu wollen, das er auch beschreibt, oder nur, nicht dazuzugehören. Das ist für mich schon ein Unterschied.
Dazu gehören wollen, heißt Konformität, von daher würde ich schon sagen, dass ich es auch zusätzlich nicht wollte.
Der Klimawandel wird echt immer spürbarer, jetzt zieht sich das Sommerloch schon bis in den November…
Es geht ja auch um den Umgang unserer Gesellschaft mit Groupthink, und ob es Persönlichkeitstypen gibt, die eine bessere Widerstandsfähigkeit dagegen haben. Find ich jetzt nicht so irrelevant angesichts des Zerfalls der demokratischen Sitten in den USA. Und, Groupthink kann ja auch z.B. in Unternehmen Schaden anrichten. Warum sonst würde einen die deutsche Autoindustrie an die absaufende Titanic erinnern?











