Wenn etwas der status quo ist, d.h. keine “Fake News”, wie von einer allfälligen staatlichen Behörde definiert, gibt es per Definition dafür bereits genügend Propagandaorgane, somit hat niemand, der sich darüber informieren will, Probleme, dies zu tun.
Das Internet hat zu einer pluralistischen Gesellschaft mit großer Medienvielfalt geführt, weil es dadurch deutlich billiger geworden ist, Informationen zu verbreiten. Was gibt es demokratischeres als das? Das Gegenmodell hieße “Gleichschaltung”, hatten wir schon.
Volksverhetzung, Verleumdung und Behaupten von falschen Tatsachen sind nicht von der Redefreiheit gedeckt und sind sogar strafbar.
Ich habe eine ganz verrückte und revolutionäre Idee:
Wir stellen durch vernünftige Umverteilungsmechanismen sicher, dass jeder sich wirtschaftlich ausreichend sicher fühlen kann und vermindern wirtschaftliche Barrieren beim Zugang zu Bildung und Qualifikation.
Wenn es weniger Ängste gibt, und sich Menschen eher Teil der Gesellschaft fühlen und zum Austausch über soziale Schichten, Altersgruppen usw. hinweg ermutigt sind, nimmt das Desinformation die Angriffspunkte.
Schließlich gibt es bei hetzerischen Desinformationen, Anstiftung zu Straftaten u.ä. auch immer noch das Strafrecht, und sollte da auch angewendet werden. Da wäre z.B. noch immer der Mord an Rudi Dutschke, für den Axel-Springer strafrechtlich nie zur Verantwortung gezogen wurde.
Alles andere hat sonst die Probleme, dass eine Institution darüber entscheiden soll was “Wahrheit” ist. Dass diese Institution leicht gekapert werden kann, aber auch, dass man damit bei den Empfänger eher eine weitere Gegenreaktion auslöst, hat der Artikel ausgearbeitet.
Desinformation wirkt über Emotionen. Da mit “Argumenten” kontern zu wollen kann nicht funktionieren. Jemanden der sich verfolgt fühlt für seine Meinung dann darin noch mals zu bestärken, indem man dazu passende Aussagen tatsächlich verfolgt ist zum Scheitern verurteilt.
Wenn es weniger Ängste gibt, und sich Menschen eher Teil der Gesellschaft fühlen
Und hier liegt der Kern, warum deine These zwar aus anderen Gründen wünschenswert, aber hier falsch ist. Es geht nicht um die reale Situation, sondern um Gefühle. Die AfD wird bspw. eben nicht von den Arbeitslosen und Geringverdienern gewählt, sondern von der Mittelschicht die glaubt, dass es bergab geht.
Guck dir die Zeit des Aufstiegs der AfD an. 2015/16 ging es Deutschland wirtschaftlich super. Quasi Vollbeschäftigung, okayes Wachstum, etc. Und trotzdem haben die Leute Angst gehabt, dass die Migranten ihnen die unbesetzten Stellen wegnehmen.
Wie können demokratische Gesellschaften dagegen vorgehen?
In dem sie intakte Medien haben, die sich nicht in der Jauchegrube tummeln, und nicht jedes abwegige rechtsradikalen Narrative ob der potenziellen Klicks bespielen…
Aber da ich das in Reaktion darauf schreibe, das eben lauter entsprechende Narrative aufgegriffen werden, unter einem Artikel, der positiv über aktionistische Inhalte auf Twitter berichtet, ist leider klar: so etwas gibt es bei und praktisch nicht mehr und wir sind wohl verloren.
#Medienversagen
Allein die Tatsache, dass Twitter so oft von Medien zitiert wird, um die Stimmung in der Bevölkerung wiederzugeben zeigt doch, dass diese Medien keine Ahnung davon haben, was in der Bevölkerung abgeht.
Twitter ist ein Presseportal für Selbstdarsteller. Kaum jemand nutzt das für die aktive Kommunikation.
„Bürgerrat“ wird zum „Top-Trend“ auf X
Warum referenzieren Medien eigentlich überhaupt noch was auf eX-Twitter passiert? Da Musk keine Kontrolle gegen Trolle hat, ist das doch überhaupt nicht repräsentativ. Die BBC meint es kostet nur 200€ einen Begriff für ein paar Stunden trenden zu lassen.
Relevant: Klings aktuellster Post auf Mastodon
Krebs betont, dass die Anstalten sehr bedacht mit dem Sanktionsmechanismus umgingen. Wenn etwas im Internet veröffentlicht werde, müsse eine Kommission aller 14 Landesmedienanstalten den Verstoß feststellen.
Das bedeutet aber doch auch, wenn die AfD nur eine davon unter ihre Kontrolle bekommt, ist die Kommission handlungsunfähig?
Insgesamt stellt der Artikel das Dilemma gut dar. Mich wundert, dass das Wort “Toleranz” nicht vorkommt, denn so nennt sich das grundlegendere Paradoxon.
Ich glaube letztendlich müssen wir hier über das Grundgesetz (insbesondere Artikel 5 zur Zensur) diskutieren, weil eine wehrhafte Demokratie gegen “demokratiezersetzende” Aktivitäten vorgehen können muss.
Bildung?
Ach nee, wir sind ja in Deutschland.
Bildung ist nicht das Problem. Auch Menschen mit Medizinstudium und Promotion werden Homöopathen, Anthropologen oder sonstige Quacksalber.
Bildung ist definitiv das Problem - besser gesagt die fehlende. Es geht auch nicht um exklusive Bildung für Spezialisierungen, sondern was fehlt, sind Basics wie z.B. Debattier- und Diskussionsfähigkeit. Wenn nicht andauernd alle so beschäftigt damit wären, recht zu haben, weil sich bei einem gegenteiligen Zugeständnis die Pforten der 9 Vorhöllen zu öffnen drohen, und wenn nicht jeder absoluter Spezialist in absolut jedem Thema wäre, dann würde dies auch die gesellschaftliche Resilienz gegen Blödsinn stärken.
Das erreicht man aus meiner Warte mit Bildung, aber vielleicht fällt dir ja noch was besseres ein.
Das, was Du beschreibst, ist aber nicht fehlende Bildung sondern die mangelnde Bereitschaft, seine eigene Position zu reflektieren und rational denken zu wollen. Das sind meines Erachtens Dinge, die es so leider schon immer gab, jetzt aber natürlich auf 120% durch die Vernetzung im Internet.
Hier ist mehr nötig als nur Bildung. Hier ist eine andere Erziehung vonnöten, die Menschen von klein auf an dazu befähigt.
Doch, auch das ist Bildung.
Nur wir leben was praktisch jeglischen Medienumgang angeht im Land der Analphabeten. Also hat sich inzwischen auch die Medienlandschaft angepasst und bespielt nur noch Felder, wo man möglichst effektiv Klicks abgreifen kann (lautes Geschrei, Narrative, Empörung). Denn qualitative Arbeit wird logischerweise nicht gewürdigt, wenn der Leser mehrheitlich zu ungebildet ist, diese überhaupt wahr zu nehmen.
Dass hier dann die laut kreischenden Lügner gewinnen und nicht die, die das Spiel nur mitspielen (und letztendlich verstärkend wirken), und somit die Diskussion nach ihren Wünschen prägen, ist eine natürlich Folge.
Das Wort Erziehung trifft es besser, das stimmt. Ich glaube aber, wir meinen das gleiche. Ich nenne es nur gern Bildung, um die Institutionalität klarzustellen. Das soll in meiner Erwartung definitiv in den Schulen passieren, allein von elterlicher Erziehung kann man hier nicht viel erwarten.
Aber: Bildung unterstützt bei dieser Bereitschaft insofern, als dass ein größerer Bildungshorizont viel mehr Spielräume in der Reflexion erlaubt. Ob und wie man sich derer befleißigt, ist wieder eine andere Frage.
Das soll in meiner Erwartung definitiv in den Schulen passieren, allein von elterlicher Erziehung kann man hier nicht viel erwarten.
Problem hierbei: Wenn die Eltern sowas für unwichtig halten (bzw. denken ihr Kind sei Gottkaiser Jesus Maria von und zu Himmelreich) und ihrem Kind einen Blankoschein erteilen, wenn es um das ignorieren von sowas geht, zieht das gern direkt komplette Klassen runter. Da muss an der Schule auch bzgl. Sanktionen mehr möglich sein. Sowas wie (also jetzt spontane Ideey ist definitiv ausbaufähig) temporäres vom regulären Unterricht raus und in einen separaten Kurs rein stecken, in dem dann aber mehr auf das spezifische Kind eingegangen wird. Aber da fehlt es natürlich wieder an allen Ecken und Enden und vor allem auch am Willen. Wenn alle Stricke reißen müssen diese Kinder dann eine Weile aus ihren Familien raus.
Hab aber selbst erlebt wie ein Kind einfach den kompletten Unterricht unmöglich machen kann und der Lehrer durfte nichts. Absolut nichts.
Es ist nur eine Minderheit, aber wie man mit diesen Fällen umgeht muss man sich trotzdem überlegen. Im Endeffekt sind die Kinder aus solchen Familien auch nur die Opfer ihrer “Eltern”.
Hm, ja, also ich bin absolut nicht bewandert in der Pädagogik und kenne die Probleme schulischer Bildung in Deutschland nur von außen (und am eigenen Leib natürlich), erlaube mir da aber dennoch mal eine Meinung:
Ich glaube, dass dieses Schulsystem überaltert und ausgedient ist. Eine breite Allgemeinbildung ist einfach nicht mehr so wichtig, da die Informationsquellen um ein Vielfaches des Vielfachen in ihrer Menge gewachsen sind. Um es mal salopp auszudrücken: Keine Sau muss heute noch wissen, wann die Habsburger in Deutschland irgendwas gemacht haben - es ist einfach egal und wird auf Bedarf ins fluide Wissen aufgenommen.
Was hingegen kritisch relevant geworden ist, ist, wie man diese Informationen konsumiert, bewertet und konsolidiert. So würde auch Richtiges von Falschem besser erkennbar und trennbar sein. Das ist eine Fähigkeit, die man zur Zeit der Konzeption des Schulsystems (übrigens ist das aus der Kaiserzeit und seitdem fast unreformiert) einfach so noch nicht benötigte, da Wissen sehr exklusiv verbreitet wurde.
Meine Kinder machen schon mehr in die Richtung als ich in meiner Schulzeit. Also mehr Gruppenarbeit und mehr „recherchiere selbst und präsentiere“.
Ich geb dir aber recht, dass wir mehr brauchen. Weniger „Lehrer sagt ob richtig oder falsch“ und mehr „woher wissen wir selbst was richtig ist?“
Ja, da bin ich ganz bei dir, das Schulsystem gehört massiv reformiert. In vielerlei Hinsicht.
Ein nicht ausschließlich punktuelles Wissen sollte man mMn schon haben, allerdings eher im Bezug auf Fähigkeiten, die auch Alltagsrelevanz haben. Da wären aber massive Lehrplanüberarbeitungen nötig und manche Fächer könnte man in ihrer jetzigen Form komplett streichen.
Und genau deshalb habe ich eher keine Hoffnung, dass das rechtzeitig passiert. Vielleicht sollte die Menschheit einen irgendwo in der Zukunft liegenden totalen Kollaps überstehen…
Das eine ist Wissen, das andere Weisheit.